Make America Think Again

- Michael Berger –

Konservativere Personen bewerten unsinnige Aussagen eher als tiefsinnig im Vergleich zu liberaleren Personen.

Neben Fakten, also Tatsachen, die einen wirklichen und nachweisbaren Sachverhalt darstellen, existieren scheinbar spätestens seit dem U.S.-Wahlkampf 2016 auch „alternative facts“, also andere Auffassungen eben jener Tatsachen. Offensichtlich unterscheiden sich Personen dahingehend, wie gut sie unsinnige Aussagen, im Englischen „bullshit statements“ genannt, als solche erkennen oder für ernstzunehmende Auffassungen halten. Ist es ironischerweise sogar die politische Einstellung, die erklären kann, wer im Wirrwarr von abstrusen Wahlkampfversprechen und Meinungs­mache die Realität im Blick behält?

Genau diese Frage nach dem Zusammenhang zwischen der politischen Einstellung und der damit verbundenen Wahrnehmung von Tiefgründigkeit in unsinnigen Aussagen untersuchten Stephan Pfattheicher und Simon Schindler. Die Autoren vermuten aufgrund bisheriger Forschungen, dass eine konservative Einstellung mit einem intuitiven Denkstil einhergeht. Dieser ist unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass Entscheidungen größtenteils auf der Basis bisheriger Erfahrungen und Spekulationen erfolgen. Der rational-analytische Denkstil stellt das Gegenteil dar, basiert auf Reflektion und kritischem Hinterfragen und wurde in bisheriger Forschung eher mit liberalen Einstellungen verknüpft. Dieser „liberale Denkstil“ wird demnach als förderlich für das Durchschauen der vermeintlich tiefsinnigen Aussagen angesehen.

Bei diesen unsinnigen Aussagen handelt es sich um Sätze, die auf den ersten Blick tiefsinnig erscheinen, in Wahrheit aber inhaltliche oder logische Fehler enthalten, z.B. „Aufmerksamkeit und Absicht sind die Mechanismen der Sichtbarwerdung“. Zehn solcher Aussagen bewerteten insgesamt 196 U.S.-Teilnehmende hinsichtlich ihrer Tiefgründigkeit im Rahmen einer Online-Studie in 2016. Zum Vergleich wurden auch banale Aussagen wie „Eine nasse Person fürchtet den Regen nicht“ bewertet. Die Teilnehmenden sollten zum Schluss ihre politische Einstellung (von konservativ bis liberal) sowie ihre Präferenz für sechs Präsidentschafts­kandidierende angeben (Hillary Clinton, Martin O’Malley und Bernie Sanders als demokratische, dagegen Ted Cruz, Marco Rubio und Donald Trump als konservative).

Wie erwartet sehen konservativere Personen durchschnittlich mehr Tiefsinnigkeit in den unsinnigen Aussagen als liberalere Personen. Für Letztere ergab sich sogar kein Zusammenhang. Konservativere Personen bewerten Aussagen jedoch nicht generell als tiefsinniger, denn für die banalen Aussagen zeigte sich kein Zusammenhang.  

Da in der Studie lediglich Zusammenhänge untersucht wurden, lässt sich keine kausale Interpretation dahingehend vornehmen, ob Konservatismus dem schlechteren Identifizieren unsinniger Inhalte vorausgeht oder umgekehrt. Außerdem lag die Stärke des Zusammenhangs zwischen Konservatismus und der bewerteten Tiefsinnigkeit unsinniger Aussagen im kleinen bis mittleren Bereich, d.h. die Ergebnisse lassen sich längst nicht auf alle konservativen Teilnehmenden verallgemeinern. Die Teilnehmenden sind ebenfalls nicht repräsentativ für die gesamte U.S.-amerikanische Bevölkerung. Und eine überraschende Randnotiz: Der Zusammenhang war am kleinsten hinsichtlich der Präferenz für Donald Trump innerhalb der zur Wahl stehenden republikanischen Kandidaten –  ob das ein Anlass zur Hoffnung oder Resignation ist, müssen Sie selbst durchschauen. 

Pfattheicher, S. & Schindler, S. (2016). Misperceiving Bullshit as Profound Is Associated with Favorable Views of Cruz, Rubio, Trump and Conservatism. PLoS ONE, 11(4). doi:10.1371/journal.pone.0153419

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Sebastian Butz*, Anna Bruk

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