Mathe-Angst – Wie die Eltern, so das Kind

- Michael Wagner –

Wenn Eltern, die Angst vor Mathe haben, ihren Kindern häufiger bei Mathe-Hausaufgaben helfen, kann das bei diesen zu einer schlechteren Mathe-Leistung und dadurch zu verstärkter Mathe-Angst führen.

Simon geht in die erste Klasse. Die meisten Fächer machen ihm richtig Spaß, nur in Mathe hat er Schwierigkeiten. Die Klassenlehr­erin rät seinen Eltern daher, ihn verstärkt in diesem Fach zu unter­stützen. Die Eltern hatten selbst nie viel Freude an Mathe. Wie empfohlen helfen sie ihrem Sohn aber von da an bei den Aufgaben. Doch trotz dieser Unter­stützung verschlechtert sich Simons Mathe-Leistung zum Ende des Schuljahres. Wie kann das sein?

Eine mögliche Erklärung liefert ein Forschungs­team um Erin Maloney. Die Forschenden vermuteten, dass sich die häufige Hilfe bei Mathe-Hausaufgaben – wenn sie von Eltern durchgeführt wird, die Angst vor  Mathe haben –  negativ auf die Mathe-Leistung der Kinder auswirken und damit auch deren Angst vor Mathe steigern kann. Als Ursache nahmen sie an, dass „mathe-ängstliche“ Eltern ihre Kinder mit unvorteilhaften Hilfestellungen durcheinander bringen könnten. Zudem dürften die Eltern ihre Angst oder Ablehnung gegenüber dem Fach oft zum Ausdruck bringen („Mathe ist nicht so wichtig.“), was die Zöglinge demotivieren sollte.

Um diese Vermutungen zu überprüfen, führten die Forschenden eine Unter­suchung mit 438 Erst- und ZweitklässlerInnen, deren Eltern und Mathe-Lehr­enden in verschiedenen Schulen durch. Hierbei wurden zu Beginn und am Ende des Schuljahres die Mathe-Leistung und die Mathe-Angst der Kinder überprüft. So sollten die Sprösslinge zunächst verschiedene Mathe-Aufgaben lösen. Einige Tage später wurde ihre Nervosität im Mathe-Kontext abgefragt. Beispielsweise sollten sie angeben, wie nervös sie sich fühlen würden, wenn sie im Unter­richt an der Tafel ein Mathe-Problem erklären müssten. Durch die Auswahl eines von fünf gemalten Gesichtern, die unter­schiedliche Stärken von Nervosität darstellten, konnten die Zöglinge ihre Antwort abstufen. In der Mitte des Schuljahres sollten ferner die Eltern in einem Fragebogen angeben, wie häufig sie ihren Kindern bei den Mathe-Hausaufgaben halfen. Zudem wurden ihre Mathe-Angst und ihre frühere schulische Mathe-Leistung erfasst. Auch das Mathe-Wissen und die Mathe-Angst der Lehr­kräfte wurden mittels Test und Fragebogen festgehalten.

Wie erwartet zeigte sich, dass Kinder, deren Eltern Angst vor Mathe hatten und sie häufig bei den Mathe-Hausaufgaben unter­stützten, am Ende des Schuljahres schlechtere Mathe-Leistungen zeigten als Kinder, deren Eltern mathe-ängstlich waren und wenig bei den Aufgaben halfen. Die schlechtere Mathe-Leistung führte schließlich zu einer verstärkten Angst vor dem Fach. Bei Eltern, die Mathe unbesorgt gegenüber standen, führte jegliche Hilfe gleichmäßig zu einer relativ hohen Leistung der Kinder. Diese Befunde waren unabhängig von der Mathe-Leistung und Mathe-Angst der Kinder zu Beginn des Schuljahres sowie der Lehr­kräfte gegeben. Zudem hatte auch das Mathe-Wissen der Eltern keinen Einfluss auf die Ergebnisse.

Bedeutet dies nun, dass mathe-ängstliche Eltern ihren Kindern möglichst selten bei den Mathe-Hausaufgaben helfen sollen? Laut den Forschenden wäre es förderlicher, Eltern bei der Hilfestellung zu unter­stützen. So könnten ihnen Materialien ausgehändigt werden, die Tipps zur Mathe-Hilfe beinhalten oder ungezwungen an das Thema heranführen – zum Beispiel in Brettspielen oder Internet Apps. Insgesamt zeigt diese Studie also auf, dass nicht nur Lehr­kräfte, sondern auch Eltern einen großen Einfluss auf die Mathe-Leistung von Kindern haben können.

Maloney, E. A., Ramirez, G., Gunderson, E. A., Levine, S. C., & Beilock, S. L. (2015). Intergenerational effects of parents’ math anxiety on children’s math achievement and anxiety. Psychological Science, 26 (9), 1480-1488. doi: 10.1177/0956797615592630

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Bianca von Wurzbach*, Judith Tonner

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