Mein Kind – ein Wunderkind

- Mareike Wickop –

Positive Illusionen ihrer Eltern kommen Kindern zugute.

Es ist eine freiwillige Entscheidung, ein beschwerlicher Weg, es kostet Geld und man bekommt meistens nicht einmal das zurück, das man investiert. Die Rede ist vom Kinderkriegen! Viele Paare wünschen sich aber nichts sehnlicher als ein gemeinsames Kind, trotz aller Sorgen und Einschränkungen, die auf werdende Eltern zukommen. Ist der kleine Wonneproppen erst einmal auf der Welt, ist es für die Eltern selbstverständlich das tollste Kind, das man sich je hätte erträumen können! Der kleine Racker übertrifft alle Erwartungen – und alle anderen Kinder: Er hat das schönste Lächeln, ist im Vergleich zu anderen Kindern pflegeleicht und ungewöhnlich wissbegierig. Das Spannende ist, dass alle anderen Paare, die man regelmäßig in der Krabbel­gruppe trifft, dieselbe Meinung über ihre eigenen Kinder vertreten. Das wirft die Frage auf, was die Konsequenzen solch positiver Sichtweisen des eigenen Kindes sein könnten.

Die meisten Menschen neigen dazu, sich selbst in einem unrealistisch guten Lichte zu betrachten. Fast jeder behauptet von sich, so ehrlich wie möglich, zudem intelligent und charmant zu sein... Und das ist auch gut so! Studien zeigen, dass solche positiven Illusionen zum allgemeinen Wohlbefinden stark beitragen und auch auf uns nahe stehende Personen wie Partner, Familienangehörige oder enge Freunde übertragen werden: Wir sehen also nicht nur uns selbst, sondern auch Andere, die uns nahe stehen, in einem positiven Licht. Diese sogenannten projektiven Illusionen sind laut wissenschaft­licher Untersuchungen beispielsweise für eine erfolgreiche Ehe von Vorteil.

Ein amerikanisches Forschungs­team um Andrew Wenger ging nun der Frage auf den Grund, ob positive Illusionen auch von Vorteil sind, wenn sie auf das eigene Kind übertragen werden. Die Forscher baten hierzu 78 verheiratete Elternteile, deren Kinder im Alter zwischen zwei und fünf Jahren waren, Fragebögen zu beantworten, mit dem Ziel das Geheimnis des glücklichen und erfolgreichen Elterndaseins zu lüften. Und tatsächlich: Die Eltern, die mit sich selbst zufrieden waren und sich unrealistisch positiv beurteilten, übertrugen solche Gedanken auch auf ihre Kinder. Eine so wohlwollende Bewertung des eigenen Kindes wirkte sich dabei sehr positiv auf die Eltern-Kind-Beziehung aus. Nicht zuletzt fanden die  Forscher zudem heraus, dass die Eltern, die so positiv über ihr Kind denken, mit sich selbst noch zufriedener werden. Ein positiver Teufelskreis!

Doch bei der Interpretation der gefundenen Zusammenhänge ist Vorsicht geboten: Letztendlich basieren die beschriebenen Ergebnisse vorwiegend auf den Angaben der Eltern. Beurteilen diese sich selbst und auch ihre Kinder positiver als andere, so bewerten sie vermutlich auch die Eltern-Kind-Beziehung positiver. Möglicherweise sind die Ergebnisse also zum Teil gerade auf das zurückzuführen, das untersucht werden sollte – auf positive Illusionen. Sicher wäre es für zukünftige Forschung wichtig, Beurteilungen anderer Personen einzuholen, die mit den Bewertungen der Eltern verglichen werden könnten. Das Thema bleibt also spannend und wichtig.

Wenger, A, Fowers, B.J., (2008). Positive Illusions in Parenting: Every Child Is Above Average. Journal of Applied Social Psychology, 38 (3),611–634.

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