Nationale Einkommensungleichheit und persönliches Wohlbefinden

- Steven Knebel –

Ein größeres Einkommensgefälle im Land geht mit niedrigerem Wohlbefinden in der Bevölkerung einher.

Schlagzeilen über die auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich, Umverteilungs­debatten und Mindest­löhne erreichen uns fast täglich. Während soziale Aus­wirkungen von Einkommens­unter-schieden hierbei vielfältig diskutiert und erforscht werden, wissen wir bislang nur wenig über psycho-logische Konsequenzen. Sind Menschen in Zeiten größerer Einkommensungleichheit vielleicht weniger glücklich? Und hört man nicht häufig Aussagen wie „Heutzutage kann man niemandem trauen“, „Wer spricht schon von Gerechtigkeit?“ oder redet von der „Ellenbogen­gesellschaft“?

Auf Basis ähnlicher Fragen untersuchte ein Forschungs­team um Shigehiro Oishi den Zusammenhang zwischen nationaler Einkommensungleichheit und persönlichem Wohlbefinden. Sie gingen davon aus, dass sich mit den Gehältern auch die Menschen voneinander distanzieren und einander weniger vertrauen. Zudem sollten insbesondere Personen mit weniger Einkommen eine Entwicklung im Sinne von „die Reichen werden immer reicher“ als unfair empfinden, was allgemein zu der Erwartung führen könnte, dass sich andere nicht fair verhalten. Das Forschungs­team nahm an, dass weniger Vertrauen zwischen den Menschen und die Wahrnehmung von mangelnder gegenseitiger Fairness einen negativen Einfluss auf das persönliche Wohlbefinden haben sollte.

Um diese Annahmen zu überprüfen, wurden die Daten von fast 50.000 Befragten einer groß angelegten Umfrage in den USA (General Social Survey) aus den Jahren 1972 bis 2008 herangezogen. Um Schwankungen im nationalen Einkommensgefälle über diese 36 Jahre zu erfassen, verwendete das Team zudem einen Index für Einkommensungleichheit vom statistischen Bundes­amt in den USA. Auf diese Weise konnten sie den Zusammenhang zwischen Einkommensungleichheit und persönlichem Wohlbefinden über mehrere Jahre hinweg in einem Land untersuchen. Das hatte den Vorteil, dass man keine Rücksicht auf spezifische (kulturelle) Unterschiede zwischen den Ländern nehmen musste.

Die Auswertung ergab, dass in Jahren größerer Einkommensungleichheit im Schnitt ein geringeres Wohlbefinden berichtet wurde. Wie in Ansätzen vermutet, zeigte sich dieser Zusammenhang vor allem in den unteren bis mittleren Einkommensschichten, jedoch nicht in den oberen. Nun könnte man annehmen, dass diese Personen in Zeiten größerer Einkommens­unterschiede weniger verdient haben und deswegen weniger glücklich waren. Jedoch konnte das geringere Wohlbefinden in den unteren Einkommensschichten nicht einfach durch das niedrigere Einkommen in diesen Jahren erklärt werden. Tatsächlich wurde der Zusammenhang zwischen stärkerer Einkommensungleichheit und geringerem Wohlbefinden durch weniger Vertrauen anderen gegenüber und die Annahme, dass andere Menschen sich nicht fair verhalten, vermittelt.

Die Befunde dieser Untersuchung sollten noch mit weiteren Studien untermauert werden. Jedoch weist sie auf die grundlegende Bedeutung von Vertrauen und Fairness auf nationaler Ebene für das persönliche Glück hin.

Oishi, S., Kesebir, S., & Diener, E. (2011). Income inequality and happiness. Psychological Science, 22, 1095–1100 .

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