Nett gemeint, aber ...

- Anne Landhäußer –

Ein positives Stereotyp taugt nicht zum Kompliment.

Es gibt Komplimente, die kommen nicht sehr gut an bei demjenigen, dem sie gelten. Mancher Mann fing sich schon eine Ohrfeige ein, weil er meinte, die Körbchengröße seines weiblichen Gegenübers loben zu müssen. Obwohl wir uns im Allgemeinen natürlich über Lobeshymnen freuen, gibt es Ausnahmen, bei denen Komplimente das Gegenteil dessen bewirken, was eigentlich bezweckt war. Der Sozialpsychologe Alexander Czopp von der University of Toledo beispielsweise konnte zeigen, dass Afroamerikaner auf als Kompliment verpackte positive Stereotypisierung nicht nur mit wenig Freude reagierten, sondern geradezu verstimmt.

Den meisten fallen zum Stichwort „Stereotype“ zunächst deutlich negativ gefärbte Stammtischparolen ein: „Ausländer sind faul“ oder „Frauen können nicht einparken“ Stereotype können jedoch auch positive Inhalte besitzen, zum Beispiel sagt man Frauen nach, sie seien sozial kompetenter als Männer. Allerdings: Schublade bleibt Schublade, auch wenn darauf eine erstrebenswerte Eigenschaft notiert ist.

Wer auf positive Stereotype setzt, der mag sich selbst für offen und vorurteilsfrei halten. Frei nach dem Motto: „Ich habe keine Vorurteile gegenüber Schwarzen. Sie sind Topathleten und unheimlich musikalisch!“ Die stereotypisierte Gruppe jedoch fühlt sich in solchen Fällen nicht zwangs­läufig geschmeichelt, sondern weiterhin mit Stereotypen konfrontiert. Das zeigte sich, als schwarze Studien­teilnehmer eine weiße Studentin beurteilen sollten, die sich angeblich um eine Stelle in einem Komitee für ethnische Vielfältigkeit bewarb. Wenn der gezeigte Videoausschnitt eine Szene enthielt, in der die Anwärterin Schwarze für ihr athletisches Können lobte, beurteilten die schwarzen Probanden die Studentin als weniger sympathisch als dies diejenigen taten, bei denen die gezeigten Videoausschnitte keine Stereotypisierung enthielten. Außerdem wurde sie als vorurteilsbehafteter bewertet und als für die Stelle weniger geeignet befunden.

Wer alle Schwarzen in einen Topf wirft, wird dem Individuum nicht gerecht. Die Afroamerikaner im Allgemeinen für Sportlichkeit und Musikalität zu loben, mag ein nett gemeintes Kompliment sein – seinen Zweck erfüllt es nicht. Viele Weiße sind in Interaktionen mit Schwarzen sehr bemüht darum, nicht vorurteilsbehaftet zu scheinen. Versuchen sie, ihrem Gegenüber näher zu kommen, indem sie die Schwarzen als Gesamtheit loben, kann das gerade dazu führen, dass der Dunkelhäutige den Eindruck erhält, nun doch wieder mit Vorurteilen konfrontiert zu werden – und deswegen den Rückzug antritt. Denn die Vermutung liegt nahe: Wer sich auf positive Stereotype verlässt, der wird auch schnell ein paar negative parat haben. Und was für Afroamerikaner gilt, gilt letztlich für uns alle: Wir möchten gerne so wahrgenommen werden, wie wir tatsächlich sind – individuell und nicht stereotypgesteuert.

A. M. Czopp (2008). When is a compliment not a compliment? Evaluating expressions of positive stereotypes. Journal of Experimental Social Psychology, 44, 413–420.

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