Nie wieder Angst vor Vorträgen

- Birgit Gutzer –

Wer weiß, dass er gar nicht so nervös wirkt wie befürchtet, kann die Qualität seiner Rede verbessern.

Als Barack Obama, der amerikanische Präsidentschafts­kandidat der Demokraten, Ende Juli in Berlin eine Rede vortrug, die 200 000 Menschen vor Ort und Millionen Zuschauer vor den heimischen Fernsehern in Bann hielt, zweifelte kaum noch jemand an seinem großen Rednertalent. Für viele Menschen scheint es allerdings ein unerreichbares Ziel zu sein, ähnlich sicher und eloquent vor Publikum aufzutreten. Gutes Vortragen ist jedoch keine angeborene Fähigkeit, sondern kann erlernt werden. Tatsächlich haben Psychologen schon vor einigen Jahren ein wirksames Mittel gegen die Angst vor öffentlichen Reden gefunden: Sobald man Menschen darüber aufklärt, dass ihre Nervosität nicht so ersichtlich ist, wie sie selbst dachten, erhöht sich ihre Gelassenheit während des Vortragens und die Qualität der Rede.

Die Forscher Kenneth Savitsky und Thomas Gilovich haben einen Grund von Vortragsangst untersucht: den sogenannten Illusion-der-Transparenz-Effekt. Bei diesem Phänomen handelt es sich um den Glauben, dass die eigenen Gedanken und Gefühle für andere Menschen erkennbarer sind, als das tatsächlich der Fall ist.

In einer ersten Studie wiesen sie den Illusion-der-Transparenz-Effekt bei 40 Studenten der Cornell University nach, die jeweils einen improvisierten Vortrag vor einem Mitstudenten halten sollten. Dabei schätzten die Probanden ihre von außen wahrnehmbare Nervosität höher ein als der Mitstudent sie tatsächlich wahrnahm. Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass Menschen ihr äußeres Auftreten selbst schlecht einschätzen können. Denn sie neigen zur Annahme, ihre Mitmenschen könnten in ihnen lesen wie in einem offenen Buch.

Um die Wirkungs­weise des Illusion-der-Transparenz-Effekts auf das Verhalten genauer zu untersuchen, testeten die Forscher in einer zweiten Studie, ob das Wissen um dieses Phänomen die Qualität des Vortrags­verhaltens verbessern kann. Denn die Angst, dass die eigene Nervosität von anderen bemerkt werden könnte, kann dem Redner Sorgen bereiten, die zu unsicheren Auftritten führen. Um diese Hypothese zu untersuchen, ließen die Forscher wiederum einige Studierende eine Rede halten, während andere den Auftritt und die Qualität des Vortrags beurteilen sollten. Ein Teil der Redner wurde dabei vorher über den Illusion-der-Transparenz-Effekt aufgeklärt. Die Ergebnisse zeigten, dass die Qualität der Rede und die Gelassenheit während des Auftritts bei Rednern, die vorher über den Effekt Informiert worden waren, von den Beobachtern besser eingeschätzt wurden. Zudem schätzten sich auch die informierten Redner selbst als qualitativ besser und gelassener ein als ihre nicht informierten Kommilitonen dies taten.

Die Studien legen nahe, dass man im Wissen um den Effekt sein eigenes Auftreten bei Präsentationen verbessern kann. Man kann sich also gezielt vor einem Vortrag selbst beruhigen, indem man sich sagt, dass man auf das Publikum längst nicht so nervös wirkt, wie man sich selbst fühlt. Dadurch kann man sich während des Vortrags besser auf die eigentliche Präsentation konzentrieren und diese bewusst durch passende Gestik und betonte Sprechweise verdeutlichen und verbessern.

Savitsky, K. & Gilovich, T. (2003): The illusion of transparency and the alleviation of speech anxiety. Journal of Experimental Social Psychology, 39, 618–625.

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