Nach einem anstrengenden Unitag schiebt Julia eine Fertigpizza in den Ofen, was ihre Mitbewohnerin wenig begeistert. „Schon wieder Pizza? Wie wär’s, wenn du dir öfter mal einen knackigen, vitaminreichen Salat machen würdest?“ Julia weiß, dass ihr Ernährungsverhalten auf Dauer nicht gesund ist, aber der Kommentar ihrer Mitbewohnerin bringt sie trotzdem nicht dazu, sich zukünftig ausgewogener zu ernähren.
Botschaften, welche auf die gesundheitsfördernden Aspekte bestimmter Nahrungsmittel hinweisen, werden in der gesundheitlichen Aufklärung gerne eingesetzt. Sie sollen zu gesunder Ernährung auffordern, scheinen allerdings wenig wirksam. Die steigende Anzahl der auf Übergewicht zurückzuführenden Erkrankungen lässt vermuten, dass die Information nicht ankommt. Wie müssten effektivere Botschaften gestaltet sein?
Mehrfach konnte gezeigt werden, dass unsere Essgewohnheiten stark durch unser soziales Umfeld bestimmt werden: Mit wem wir gemeinsam essen, beeinflusst auch, was wir essen. Ebenso orientieren wir uns am Essverhalten von Gruppen, mit denen wir uns identifizieren. Diese können mit uns in äußerlichen Merkmalen übereinstimmen (Alter, Geschlecht) oder sich einfach in der gleichen Situation befinden wie wir (Hotelgäste, Sportbegeisterte).
Darauf aufbauend kam ein britisches Forschungsteam um Eric Robinson zur Überlegung, dass sich Botschaften, die eine soziale Norm vermitteln, als Appell für gesunde Ernährung eignen könnten. Soziale Normen sind Verhaltensformen, die sich in den verschiedensten Lebensbereichen etabliert haben, beispielsweise Kleiderordnungen, Umgangsformen oder eben Essgewohnheiten.
In einem Experiment zur Wirksamkeit von Sozialen-Norm-Botschaften wurden Studierende gebeten, zunächst ein Plakat zu beurteilen. Auf diesem stand entweder, dass die Mehrheit der Studierenden täglich mehr als drei Portionen Gemüse zu sich nimmt, oder eine Information zum Gesundheitswert von Gemüse. Anschließend konnten sich die Teilnehmenden – angeblich unbeobachtet – eine Mahlzeit von einem Büffet zusammenstellen.
Tatsächlich griffen diejenigen, die zuvor angaben nur selten Gemüse zu verzehren, nach Darbietung der Sozialen-Norm-Botschaft öfter zum Gemüse, als nach Lesen der Gesundheitsbotschaft. Diejenigen, die sich nicht als Gemüsemuffel einschätzten, bevorzugten ohnehin ein gesundes Essen, unabhängig von der erhaltenen Information.
Wäre Julia Mitglied einer Theatergruppe, würde der Hinweis der Freundin, dass die Mehrzahl der Darsteller besonderen Wert auf gesunde Ernährung legt, vielleicht eher ein Umdenken bewirken.
Soziale-Norm-Botschaften könnten in der Gesundheitsprävention eine wichtige Rolle einnehmen. Problematisch ist allerdings, wie diese Information möglichst großflächig verbreitet werden kann. Hierbei ist insbesondere zu klären, wie breit eine Gruppe gefasst sein darf. Würde die Aussage „Deutschland isst gesünder als man denkt“ noch eine Identifikation ermöglichen und dadurch die beabsichtigte Wirkung erzielen?
Darüber hinaus stellt sich die Frage, inwieweit es ethisch vertretbar ist, für Zwecke der Gesundheitsprävention soziale Normen zu berichten, die in Wirklichkeit (noch) gar nicht existieren.
Robinson, E., Fleming, A., & Higgs, S. (2013). Prompting healthier eating: Testing the use of health and social norm based messages. Health Psychology. Advance online publication. doi: 10.1037/a0034213
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