One Night Stands: Gut für ihn, schlecht für sie
Anna und Tom haben sich neulich auf einer Studentenfete kennengelernt und waren sich von Beginn an mehr als sympathisch. Einige Biere und Cocktails später, haben die beiden eine intimere Atmosphäre in Annas WG-Zimmer vorgezogen und eine aufregende Nacht miteinander verbracht. In den Tagen darauf haben beide in ihren Freundeskreisen stolz davon erzählt. Doch während Tom die Bewunderung und Zustimmung seiner Freunde dafür erhielt, erntete Anna von ihren Freundinnen Bedenken für diese „leichtsinnige Aktion“. Weshalb ist es für Anna moralisch verwerflicher als für Tom, sich auf One Night Stands einzulassen?
Das Phänomen der Doppelmoral bezüglich sexueller Freiheit unter den Geschlechtern wird als „Sexual Double Standard“ bezeichnet. Während Männer durch mehr Sexualpartnerinnen ihren Status steigern können, werden Frauen, die mit mehreren Sexualpartnern schlafen, gesellschaftlich verurteilt. Ein Forschungsteam um Laurie A. Rudman hat sich mit der Frage beschäftigt, welche Motive hinter diesen Phänomen stecken, von welchem Geschlecht es aufrechterhalten wird und warum.
Insgesamt 503 Psychologiestudierende füllten einen Fragebogen zu „sozialen Problemen“ aus. Sie sollten dabei angeben, ob der Doppelstandard ihrer Meinung nach noch existiert und ob sie ihn selbst befürworten würden. Darüber hinaus sollten sie angeben, ob sie ihren männlichen wie weiblichen Bekannten zu einem One Night Stand raten oder ihnen eher davon abraten würden. Sowohl Männer als auch Frauen gaben an, dass der Doppelstandard noch existiere, was insbesondere von Männern als positiv bewertet wurde. Männer gaben an, ihre männlichen Bekannten häufiger zu Gelegenheitssex zu ermutigen als ihre weiblichen; während Frauen sowohl ihren männlichen als auch weiblichen Bekannten tendenziell eher von One Night Stands abrieten.
Schließlich wurden die Teilnehmenden auch gefragt, welche Motive sie hinter entsprechenden Ratschlägen von Männern und Frauen vermuteten. Sowohl weibliche wie auch männliche Teilnehmende vermuteten, dass Männer ihren männlichen Bekannten insbesondere aufgrund des damit verbundenen Status- und Lustgewinns zu Gelegenheitssex ermutigen. Dagegen wurden Vergewaltigungsgerüchte und drohende soziale Ächtung als Grund dafür gesehen, warum Frauen ihren weiblichen Bekannten von Gelegenheitssex abraten.
Es scheint, als ob vor allem Männer doppelte Standards bezüglich Gelegenheitssex befürworten und entsprechende Ratschläge erteilen. Allerdings vertreten auch Frauen entsprechende Ansichten, wenn auch zu einem geringeren Ausmaß. Diese doppelten Standards erschweren sexuelle Gleichberechtigung und können langfristig dazu führen, dass Frauen sich von Männern sexuell ausgenutzt fühlen. Ein wichtiges Thema für zukünftige Forschung ist darum, wie doppelte Standards bei beiden Geschlechtern abgebaut werden können – sodass Anna, genauso wie Tom, neue Erfahrungen sammeln kann, ohne sich der Missbilligung und Kritik ihres Umfelds auszusetzen.
Rudman, L. A., Fetterolf, J. C., & Sanchez, D. T. (2013). What motivates the sexual double standard? More support for male versus female control theory. Personality and Social Psychology Bulletin, 39, 250–263.
Redaktion und AnsprechpartnerIn*: Selma Rudert*, Judith Tonner
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