Prominente Vorbilder, Schlankheitswahn und Essstörungen

- Birgit Gutzer –

Junge Frauen, die einen dünnen weiblichen Star verehren, neigen stärker zu Essstörungen als ihre Altersgenossinnen.

 

Laut einer Studie des Robert-Koch-Institutes leiden ca. 30% der Mädchen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren an Essstörungen. Wahrscheinlich gibt es mehrere Faktoren, die an diesem Umstand Schuld tragen. Oft wird dabei über die Rolle der Medien spekuliert. In einer aktuellen Studie haben Forscher der Sozialpsychologie diese Frage näher untersucht. Die Wissenschaft­ler interessierten sich für das Ausmaß, in dem die Bewunderung junger Frauen für schlanke Berühmtheiten mit Essstörungen zusammenhängt.

In ihrer Forschung nahmen Louise Shorter, Stephen L. Brown, Stephanie J. Quinton und Louise Hinton an, dass Frauen umso mehr von Essstörungen berichten, je mehr die eigene Figur sich von der des bewunderten Stars unterscheidet. Das heißt, je größer der Figur­unterschied zwischen dem Star und der eigenen Person, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Essstörung (z.B. Ess-Brech-Sucht oder Magersucht). Außerdem nahmen die Autorinnen an, dass dieser Zusammenhang davon abhängt, wie sehr der jeweilige Star bewundert wird. Je mehr Bewunderung im Spiel ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unterschied zwischen der Figur des Stars und der eigenen zu einer Essstörung führt.

Zur Prüfung ihrer Hypothesen führten die Autorinnen eine Untersuchung durch, an der 159 junge Frauen zwischen 18 und 27 Jahren teilnahmen. Die Probandinnen gaben zunächst an, welches weibliche Sternchen und wie sehr sie dieses bewunderten. Dann sollten sie anhand von Abbildungen ihre eigene Figur und die der Berühmtheit einschätzen. Zum Schluss füllten die Probandinnen einen Fragebogen zu Essstörungen aus. Die Ergebnisse zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für eine Essstörung umso größer ist,  je größer die wahrgenommenen Figur­unterschiede zwischen dem Star und der eigenen Person. Außerdem beeinflusste die Stärke der Bewunderung das Ausmaß, in dem die wahrgenommene Figurdiskrepanz zu Essstörungen führt. Je mehr Bewunderung im Spiel ist, desto wünschenswerter sind die Eigenschaften des Idols. Damit erschafft das Idol einen Vergleichsstandard für die jungen Frauen, den es anzustreben gilt, oft mittels „gestörten“ Ess­verhaltens. Die Ergebnisse deuten damit daraufhin, dass das Figurideal der Prominenten, das über die Medien transportiert wird, mit Störungen im Ess­verhalten bei jungen Frauen einhergeht.

Die Studie von Shorter und Kollegen zeigt, dass das Aussehen von Prominenten einen großen Einfluss auf das Ess­verhalten junger Frauen ausüben kann. Aus aktuellem Anlass hat die deutsche Politik reagiert und sich mit der deutschen Textil- und Modebranche auf eine Charta für Models geeinigt, die laut der Bundes­gesundheits­ministerin Ulla Schmidt dem „Kampf gegen gesundheitsschädlichen Schlankheitswahn“ dient. Nach diesem Regelwerk sollen Models mindestens eine Kleidergröße von 36 und einen BMI von 18,5 besitzen. Diese Regeln sind nicht bindend, doch auf Basis der Ergebnisse der vorliegenden Studie erscheint eine Einhaltung wünschenswert.

Shorter, L.; Brown, S. L.; Quinton, S. J. & Hinton, L. (2008). Relations­hips Between Body-Shape Discrepancies With Favored Celebrities and Disordered Eating in Young Women. Journal of Applied Social Psychology, 38, 5.

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