Recht oder Verantwortung – Was wiegt schwerer?

-Dominik Maiori-

Die Aufteilung von Aufgaben kann als un­gerechter wahrgenommen werden, wenn von den Rechten der Beteiligten anstatt deren Verantwortung die Rede ist.

Recht und Verantwortung gehen Hand in Hand. Sobald eine Person ein Recht hat, bedeutet dies auch, dass eine andere Person oder Institution eine Verantwortung oder Verpflichtung dieser Person gegenüber hat. So haben Beschäftigte beispielsweise das Recht, fair behandelt zu werden – und Führungs­kräfte wiederum eine Verantwortung, dies umzusetzen.  Ist es aber wichtig, ob man in so einem Zusammenhang von „Recht“ oder „Verantwortung“ spricht oder ist das eigentlich ein und dasselbe?

Da das Forschungs­duo Allon Vishkin und Jeremy Ginges  beobachtet hat, dass die beiden Wörter tatsächlich oft als austauschbare Alternativen zur Beschreibung von Situationen verwendet werden, wollten sie dieser Frage genauer auf den Grund gehen. Dabei gingen sie davon aus, dass die Verwendung von „Recht“ bei Beschreibungen der Verteilung ungleicher Aufgaben eher dazu führt, dass diese als unfair empfunden wird. Sie nahmen an, dass ein „Recht“ stärker signalisiert, dass einem Individuum etwas zusteht, während eine „Verantwortung“ von vielen Randbedingungen abhängen kann.

Diese Annahmen untersuchte das Forschungs­team mit Experimenten in den USA. So lasen Teilnehmende einer Studie über die Aufteilung der Küchenarbeit zwischen zwei neu zusammengezogenen WG-Mitgliedern. Eine der beiden Personen war für den Abwasch zuständig, während die andere Person die Essenszubereitung übernahm. Den Teilnehmenden wurden nacheinander zwei unterschiedliche Beschreibungen dieser Aufteilung vorgelegt. In einer Version war davon die Rede, dass die beiden Personen das Recht haben, dass die andere Person die ihr jeweils zugeteilte Aufgabe übernimmt. In der anderen Version hieß es, dass die beiden Personen die Verantwortung haben, die ihr jeweils zugeteilte Aufgabe zu übernehmen. Für alle verwendeten Beschreibungen von Aufgabenverteilungen (auch bei Paaren und Firmen) in den unterschiedlichen Experimenten konnte gezeigt werden, dass die Verteilung ungleicher Aufgaben unter Verwendung des Wortes „Recht“ als unfairer eingestuft wurden als unter Verwendung des Wortes „Verantwortung“.

Die Ergebnisse weisen also darauf hin, dass es tatsächlich einen Unterschied machen kann, ob wir von „Recht“ oder von „Verantwortung“ sprechen. Laut diesen Studien­ergebnissen scheint die Verwendung des Wortes „Recht“ uns empfänglicher für Ungleichheiten und (Un)Fairness zu machen.
Demnach wäre es sinnvoll, von unserem „Recht“ zu sprechen, wenn wir etwas für uns erreichen oder durchsetzen wollen.
 

Vishkin, A., & Ginges, J. (2021). Rights and responsibilities are substitutable framings that differentially affect judgment. Advance online publication. Social Psychological and Personality Science. https://doi.org/10.1177/19485506211046790

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Janin Rössel¹, David Grüning

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