„Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?“

- Kendra Maria Hons-

Wenn Menschen in sozialen Interaktionen ihr Smartphone nutzen, scheinen sie die negativen Effekte auf ihr Gegenüber zu unterschätzen.

 

Smartphones sind aus unserem Alltag kaum noch wegzudenken. Auch bei gemeinschaft­lichen Aktivitäten, in denen sich Menschen miteinander austauschen, schleicht sich häufig ein Smartphone ein. Wer hat nicht schon erlebt, dass andere beim gemeinsamen Essen ihre Nachrichten lesen? Die Smartphone-Nutzung in solchen Situationen wird „Phubbing“ genannt. Phubbing wird von vielen Menschen als störend wahrgenommen – dennoch können sich die meisten Menschen selbst offenbar nicht davon ausnehmen.

Ein Forschungs­team um Elyssa Barrick ging diesem Phänomen nach. Sie nahmen an, dass es einen Unterschied macht, ob wir selbst oder andere dieses Verhalten zeigen. Bisherige Forschung belegt, dass Menschen ihr eigenes Verhalten oft positiver begründen als das gleiche Verhalten anderer. Entsprechend könnten Personen ihr eigenes Phubbing beispielsweise damit begründen, dass sie ein Gespräch mit einem Foto bereichern wollen und ihrem Gegenüber trotzdem Aufmerksamkeit schenken, während sie Phubbing bei anderen deren Ablenkbarkeit zuschreiben. Entsprechend könnten Personen ihr eigenes Phubbing für weniger schädlich halten.

Diese Annahmen untersuchten die Forschenden in mehreren Studien. In einem Experiment wurden einige Teilnehmende gebeten, sich an soziale Situationen zu erinnern, in denen sie selbst ein Smartphone verwendet hatten. Danach wurden sie entweder gefragt, wie sich die Nutzung ihres Geräts auf ihr eigenes Empfinden ausgewirkt hatte oder sie sollten einschätzen, wie die Erfahrung ihres Gegenübers dadurch geprägt wurde. Eine weitere Gruppe an Teilnehmenden sollte an eine soziale Situation denken, in der ihr Gegenüber ein Smartphone genutzt hatte, und bewerten, wie sich dieses Phubbing auf sie selbst auswirkte. In Situationen, in denen die Teilnehmenden selbst ihr Smartphone genutzt hatten, berichteten sie kaum Beeinträchtigungen für sich selbst und ihr Gegenüber. In Situationen hingegen, in denen ein Gegenüber das Smartphone verwendet hatte, berichteten die Teilnehmenden wesentlich stärker, dass sie die Situation weniger genossen und sich weniger verbunden gefühlt hatten.

In einem weiteren Experiment wurde zusätzlich nach den Gründen für die jeweilige Smartphone-Nutzung gefragt. Wie vermutet, schrieben die Teilnehmenden ihrem eigenen Verhalten positivere Gründe zu (z. B., dass sie ihrem Gegenüber etwas zeigen wollten) als dem Verhalten ihres Gegenübers. Darüber hinaus schätzten sie ihre eigenen Mutlitasking-Fähigkeiten höher ein. Diese Wahrnehmung (positivere Gründe und besseres Multitasking) hing wiederum damit zusammen, dass die Teilnehmenden weniger negative Aus­wirkungen ihrer Smartphone-Nutzung erwarteten.

Den Studien­ergebnissen zufolge ist Menschen offenbar nicht klar, wie negativ sich ihre Smartphone-Nutzung auf ihr Gegenüber auswirken kann. Das sollten wir uns bewusst machen. Zudem können wir uns fragen, wie wir uns selbst fühlen, wenn andere mit ihrem Smartphone beschäftigt sind. Schließlich berichteten die Teilnehmenden über alle Studien hinweg für sich selbst negative Aus­wirkungen von Phubbing – anderen dürfte es genauso gehen. Vielleicht regt so ein Perspektivwechsel dazu an, sich in Zukunft ganz einem Gespräch und dem Gegenüber zu widmen.

Barrick, E. M., Barasch, A., & Tamir, D. I. (2022). The unexpected social consequences of diverting attention to our phones. Journal of Experimental Social Psychology, 101, 104344. https://doi.org/10.1016/j.jesp.2022.104344

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Janin Roessel¹, Dominik Maiori

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