Schlaf dich bitte aus, Schatz. Wir müssen reden!

- Jonathan Wörn –

Im Gegensatz zu gutem Schlaf geht schlechter Schlaf mit häufigeren Beziehungs­konflikten, schlechteren Emotionen, weniger Einfühlungs­vermögen gegenüber dem/der Partner/in und einer schlechteren Konfliktlöse­fähigkeit einher.

„Allen aus dem Wege gehen, die schlecht schlafen und nachts wachen.“ – Mit diesem Ratschlag wollte Friedrich Nietzsche seinen Mitmenschen wohl nahelegen, dass man mit unausgeschlafenen Personen leicht in Streit geraten kann. In der Tat führt Schlafmangel oftmals zu einer Verschlechterung der Emotions­lage, vermindert das Einfühlungs­vermögen und beeinträchtigt die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Doch bedeutet dies tatsächlich auch, dass schlechter Schlaf verstärkt zu Streit führt und somit vielleicht sogar Konflikte in der Partnerschaft begünstigt?

Dieser Frage gingen die Forscherinnen Amie Gordon und Serena Chen nach. Sie nahmen an, dass schlechter Schlaf zu häufigeren Beziehungs­konflikten führt, da wegen der verschlechterten Emotions­lage negativer auf Probleme reagiert wird. Das verminderte Einfühlungs­vermögen führe außerdem dazu, dass die Gefühle des/der Partner/in schlechter eingeschätzt werden können. Weiter erschwere die eingeschränkte Fähigkeit, Probleme zu lösen, das Beseitigen von Konflikten.

Um diese Annahmen zu überprüfen, maßen die Wissenschaft­lerinnen in einer ersten Studie den Zusammenhang zwischen schlechtem Schlaf und der Häufigkeit von Konflikten. Dazu ließen sie 78 Personen über zwei Wochen hinweg täglich unter anderem Angaben zur Qualität ihres Schlafes und zu Konflikten in ihrer Partnerschaft machen. Es zeigte sich, dass die Teilnehmenden unabhängig von beispielsweise der Beziehungs­zufriedenheit von mehr Auseinandersetzungen in ihrer Partnerschaft berichteten, wenn sie nachts zuvor schlechter geschlafen hatten.

In einer weiteren Studie befragten die Forscherinnen 71 Paare. Alle Teilnehmenden machten zunächst Angaben zu ihrer Schlafqualität in der vergangenen Nacht. Anschließend sollten die Paare eine Lösung für eines ihrer Beziehungs­probleme finden und einschätzen, in welchem Ausmaß sie selbst beziehungs­weise ihr/e Partner/in während dieses Gespräches positive und negative Emotionen gehabt hatten.

Wie erwartet zeigten die Befragten umso mehr negative und/oder weniger positive Emotionen und schätzten die Emotionen ihres/r Partners/in umso weniger akkurat ein, je schlechter sie in der vorherigen Nacht geschlafen hatten. Gleichzeitig verschlechterten sich auch die Emotionen und das Einfühlungs­vermögen der Partner/innen, ungeachtet davon, wie gut oder schlecht diese selbst geschlafen hatten. Letzteres erklärten die Forscherinnen damit, dass Personen ihre Emotionen nach schlechtem Schlaf vermutlich weniger stark zum Ausdruck bringen und andere diese Emotionen deshalb schlechter erkennen können. Zudem berichteten Paare, in denen mindestens eine/r unter schlechtem Schlaf gelitten hatte, im Vergleich zu Paaren, in denen beide gut geschlafen hatten, dass sie bei der Lösung ihrer Beziehungs­probleme weniger erfolgreich waren.

Auch wenn in den Studien nur der Zusammenhang zwischen den einzelnen Variablen gemessen wurde und somit keine Aussage über die Kausalität getroffen werden kann, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Beziehungs­konflikte besser gelöst werden können, wenn beide Personen ausgeschlafen sind. Nietzsches Ratschlag scheint also auch unter wissenschaft­lichen Gesichtspunkten durchaus ein guter Wegweiser für den Alltag zu sein.

Gordon, A. M., & Chen, S. (2013). The role of sleep in interpersonal conflict: Do sleepless nights mean worse fights? Social Psychological and Personality Science. doi: 10.1177/1948550613488952

© Forschung erleben 2013, alle Rechte vorbehalten

Zurück