Sei kreativ, offenbare dich.

- David Grüning –

Kreative Ideen mitzuteilen, fördert die Empfindung, sich selbst zu offenbaren.

Vincent van Gogh schrieb einmal: „Gemälde haben ein Eigenleben, das von der Seele der Malerin/des Malers herrührt.“ Die Forschenden Jack A. Gonzalo und Joshua H. Katz prüften in fünf Studien den Wahrheitsgehalt dieser Aussage. Konkret stellten sie sich die Frage, welche Konsequenzen es hat, wenn eine Person eine kreative Idee preisgibt. Das Forschungs­team vermutete, dass das Offenbaren von kreativen Ideen mit dem Eindruck einhergeht, etwas Persönliches über sich selbst zu offenbaren. Denn das Generieren von kreativen Ideen erfordert die Integration von individueller Erfahrung und reflektiert damit eine einzigartig persönliche Perspektive.

Um ihre Annahme zu überprüfen, führten die Forschenden mehrere Studien durch, bei denen die Teilnehmenden zufällig einer von zwei Gruppen zugewiesen wurden. Sie wurden gebeten, Ideen zu einem bestimmten Produkt zu erarbeiten und sollten dabei entweder neuartige Ideen (= kreative Gruppe) oder geläufige Ideen (= unkreative Gruppe) formulieren. In einer Studie wurde den Mitgliedern der kreativen Gruppe z.B. die Aufgabe gegeben, sich möglichst viele Geschmäcker für Kartoffelchips auszudenken, die „kreativ“ und „einzigartig“ waren. In der unkreativen Gruppe lautete die Instruktion, Geschmäcker zu beschreiben, die „konventionell“ und „typisch“ waren. Im Anschluss an die fünfminütige Phase zur Erarbeitung der Ideen wurden die Teilnehmenden befragt, wie sehr sie den Eindruck hatten, durch das Offenbaren ihrer Idee etwas über ihre Persönlichkeit preiszugeben. Die Autoren fanden in diesem und drei weiteren Experimenten, dass Personen, die kreative (versus unkreative) Ideen generiert und geteilt hatten, auch den Eindruck hatten mehr über ihre Persönlichkeit offenbart zu haben, als Personen, die instruiert wurden unkreative Ideen niederzuschreiben.

In einer weiteren Studie unter­suchten Goncalo und Katz den Offenbarungs­effekt von kreativen Ideen in realen Interaktionen zwischen zwei Personen. Dazu wurden die Teilnehmenden wieder zufällig einer von zwei Bedingungen (kreativ oder unkreativ) zugeteilt und gebeten, sich Gerüche für Kerzen auszudenken. Nach fünf Minuten des Aufschreibens wurden die Teilnehmenden nun gebeten, einer anderen teilnehmenden Person ihre generierten (kreativen oder unkreativen) Ideen laut vorzulesen und sich auch die Ideen der anderen Person anzuhören. Danach wurde nicht nur nach der wahrgenommen Selbstoffenbarung gefragt, sondern auch danach, wie sehr man den Eindruck hatte, dass sich das Gegenüber einem offenbart hatte. Auch in dieser Studie verstärkte die Offenbarung von kreativen Ideen das Gefühl, persönliche Informationen von sich preiszugeben. Ganz im Sinne von van Gogh zeigte sich außerdem, dass eine Person, die kreative Ideen von anderen mitgeteilt bekam, den Eindruck hatte, dass die andere Person sich ihr mehr offenbart hatte als wenn diese unkreative Ideen mitteilte.

Abschließend weisen Goncalo und Katz darauf hin, dass es nicht nur Vorteile mit sich bringt, wenn das Teilen von kreativen Ideen die Empfindung fördert, sich selbst zu offenbaren. Die Kommunikation einer eigenen kreativen Idee kann dadurch durchaus auch riskant sein. Falls die geteilte Idee abgelehnt wird, würde effektiv nicht nur diese Idee abgelehnt, sondern auch ein Teil der eigenen Persönlichkeit, die man mit der offenbarten Idee verbindet.

 

Goncalo, J. A., & Katz, J. H. (2020). Your soul spills out: The creative act feels self-disclosing. Personality and Social Psychology Bulletin, 46(5), 679–692. doi: 10.1177/0146167219873480

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Selma Rudert¹, Michael Barthelmäs

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