Selbstwert ist Gold wert

- Martin Scharmach –

Ein geringes Selbstwertgefühl kann zu Depressionen führen.

Wenn man im Internet den Begriff „Selbstwertgefühl“ recherchiert, dominieren Suchergebnisse à la „Selbstwertgefühl steigern – Minderwertigkeits­komplexe abbauen!“. Eher unwahrscheinlich hingegen ist es, dass man auf einen Slogan stößt wie: „Mindern Sie Ihr Selbstwertgefühl – schnell und effektiv!“ Doch warum ist ein hohes Selbstwertgefühl für uns Menschen so wichtig?

Die Studien der US-amerikanischen Forscher Ulrich Orth, Richard W. Robins und Brent W. Roberts zeigen, dass ein geringer Selbstwert auf Dauer nicht nur unangenehm sein kann, sondern regelrecht krank machen kann. Die Forscher untersuchten, inwieweit das menschliche Selbstwertgefühl und die Neigung zu Depressionen zusammenhängen. Dazu analysierten sie Daten von über 2.700 Befragten, die über einen Zeitraum von 10 Jahren Fragebogen zu ihrem Selbstwertgefühl und ihrer Depressionsneigung beantwortet hatten. 

Da die Jugend in der Regel die Lebens­phase mit den meisten Veränderungen und Selbstwertschwankungen darstellt, konzentrierten sich die Forscher dabei auf Jugendliche, die zum Zeitpunkt der ersten Befragung zwischen 15 und 16 Jahre alt waren.

Dabei wollten Orth und seine Kollegen vor allem den Wirkzusammenhang zwischen Selbstwertgefühl und Depression genauer untersuchen: Kann ein geringer Selbstwert tatsächlich die Ursache für eine depressive Erkrankung sein?

Intuitiv könnte man z.B. vermuten, dass Menschen mit geringem Selbstwertgefühl nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Umwelt negativer wahrnehmen und deshalb ob ihrer vermeintlich hoffnungs­losen Lage Depressionen entwickeln. Vielleicht vermeiden Menschen mit niedrigem Selbstwert auch eher den Kontakt zu Mitmenschen und ihre Einsamkeit führt sie letztendlich in die Depression.

Eine ebenso plausible Vermutung wäre jedoch auch, dass Menschen, die zu einem früheren Zeitpunkt bereits an einer Depression litten, im Anschluss ein geringeres Selbstwertgefühl entwickelt haben, weil sie beispielsweise während der Depression den Kontakt zu vielen ihrer Freunde und Verwandten verloren haben. In diesem Fall müsste man eher die Depression als Ursache bekämpfen und nicht den geringen Selbstwert.

Zudem schließen sich diese beiden unterschiedlichen Vermutungen über den Zusammenhang zwischen Depression und Selbstwertgefühl  gegenseitig nicht aus, sondern könnten sich im Gegenteil sogar zu einem Teufelskreis verbinden. Und aus einem Teufelskreis kommt man bekanntlich nur schwer wieder heraus.

Tatsächlich fanden die Forscher heraus, dass das Selbstwertgefühl im Jugendalter die Depressionsneigung noch Jahre später vorhersagen kann. Wer also im Jugendalter unter einem negativen Selbstwertgefühl leidet, hat eine höhere Wahrscheinlichkeit, später an Depressionen zu erkranken.

Zumindest vor besagtem Teufelskreis braucht der- oder diejenige sich laut den Forschern allerdings nicht zu fürchten. Sie fanden keine Hinweise darauf, dass Menschen, die zu einem früheren Zeitpunkt eher zu Depressionen neigten zu einem späteren Zeitpunkt ein verringertes Selbstwertgefühl aufwiesen.

Wenn man also Depressionen an der Wurzel bekämpfen will, ist es tatsächlich gut, etwas für sein Selbstbewusstsein zu tun. Ob man sich dazu allerdings blindlings auf einen der zahlreichen Internetratgeber stürzen sollte, sei dahingestellt.

Orth, U., Robins, R. W., & Roberts, B. W. (2008). Low self-esteem prospectively predicts depression in adolescence and young adulthood. Journal of Personality and Social Psychology, (95)3, 695–708.  

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