Sexistisch oder einfach nur unverschämt?

-Kendra Maria Hons-

Sexismus gegenüber Frauen wird leichter übersehen, wenn gleichzeitig unverschämtes Verhalten gegenüber Männern gezeigt wird.

Ist Donald Trump sexistisch oder richtet sich sein unverschämtes Verhalten generell gegen andere Menschen – egal welchen Geschlechts? Beispielsweise auf dem Twitter-Profil des ehemaligen U.S.-Präsidenten finden sich neben frauenfeindlichen Aussagen auch solche Beiträge, die sich geringschätzig und beleidigend gegen Männer richten. Man könnte also vermuten, bei Trumps Unverschämtheiten spiele Geschlecht gar keine Rolle, sondern sie seien schlichtweg Ausdruck seines groben und taktlosen Umgangs mit anderen Menschen.

Sexismus beschreibt die Diskriminierung von Frauen aufgrund von Geschlechtsstereotypen, also Vorstellungen über Geschlechterrollen, in denen Frauen gegenüber Männern herabgesetzt sind. Grobe Verhaltensweisen wie Demütigungen können hingegen eine generell anti-soziale Einstellung widerspiegeln, also unabhängig vom Geschlecht des Gegenübers auftreten. Bisherige Forschung zeigt, dass sich Sexismus und generell unverschämtes Verhalten nicht gegenseitig ausschließen: Eine Person wie beispielsweise Donald Trump kann also beide Verhaltensweisen unabhängig voneinander zeigen. Doch  werden diese beiden Verhaltensweisen auch unabhängig voneinander wahrgenommen, wenn sie gleichzeitig auftreten?

Eine Forschungs­gruppe um P. Belmi vermutete, dass das Erkennen von Sexismus erschwert wird, wenn sexistische Männer nicht nur Frauen diskriminieren, sondern sich gleichzeitig auch Männern gegenüber grob und taktlos verhalten. Denn in einer solchen Situation könnten Beobachtende den Schluss ziehen, dass das unverschämte Verhalten „geschlechtsblind“, also nicht von Geschlechtsstereotypen beeinflusst sei.

Um diese Annahmen zu unter­suchen, wurden Teilnehmenden in einem Experiment Twitter-Beiträge des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump vorgelegt, die er während seiner Amtszeit geschrieben hatte. Während einer Gruppe von Teilnehmenden ausschließlich solche Beiträge gezeigt wurden, die sexistisch waren (z. B. „Sarah Jessica Parker voted unsexiest woman alive – I agree.“), lasen Teilnehmende in weiteren sechs Gruppen zusätzlich solche Tweets, die Männern gegenüber beleidigend waren (z. B. „The hatred that clown @krauthammer has for me is unbelievable – causes him to lie when many others say Trump easily won debate.“). Variiert wurde hierbei, wie viele solcher Tweets zusätzlich zu den sexistischen präsentiert wurden. Anschließend gaben alle Teilnehmenden an, für wie geschlechtsblind und sexistisch sie Donald Trump hielten.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Teilnehmenden Donald Trump als umso geschlechtsblinder einschätzten, je mehr seiner beleidigenden Aussagen gegenüber Männern sie zusätzlich zu den sexistischen gelesen hatten. Eine höhere Geschlechtsblindheit ging zudem mit der Einschätzung einher, dass Donald Trump weniger sexistisch sei. In Folgeexperimenten konnten die Befunde weiter unter­mauert werden.

Treten sexistische Aussagen gepaart mit Beleidigungen anderen Männern gegenüber auf, kann dies Sexismus offenbar verschleiern: Es entsteht die Wahrnehmung, Geschlechtsstereotype spielten für das unverschämte Verhalten dieser Person keine Rolle. Wird Sexismus allerdings erst gar nicht erkannt, wird es schwieriger, sich ihm entgegenzustellen. Bemerkenswert ist, dass selbst eine Person wie Donald Trump, die gerade in Bezug auf Sexismus stark polarisiert, durch unverschämtes Verhalten gegenüber Männern als geschlechtsblinder wahrgenommen werden kann.

 

Belmi, P., Jun, S., & Adams, G. S. (2022). The “Equal-Opportunity Jerk” Defense: Rudeness Can Obfuscate Gender Bias. Psychological Science, 33(3), 397–411. https://doi.org/10.1177/09567976211040495   

Redaktion und Ansprech­partnerin¹: Bianca von Wurzbach¹, Lea Nahon

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