Sozialer Kontakt: Jogging fürs Gehirn!

- Rainer Greifeneder –

Der Kontakt mit anderen Menschen fördert die intellektuelle Leistungs­fähigkeit.

Heiraten ist nicht nur romantisch, sondern auch eine Investition in die eigene Zukunft, denn statistisch gesehen leben Verheiratete länger. Doch nicht nur der Ehe­partner, sondern allgemein Kontakt zum Beispiel mit Familie und Freunden trägt dazu bei, dass wir glücklicher sind und älter werden. Die Forscher­gruppe um Oscar Ybarra (University of Michigan) behauptet nun, dass sozialer Kontakt, also das Zusammensein mit anderen Menschen, auch unsere intellektuelle Leistungs­fähigkeit verbessert. Sozialer Kontakt als Jogging fürs Gehirn?

In einer repräsentativen Umfrage unter Amerikanern fanden die Forscher, dass Personen, die häufig mit anderen Menschen in direktem oder telefonischem Kontakt stehen, besser Rechenaufgaben lösen und Wissensfragen beantworten konnten. Unklar blieb bei dieser Umfrage jedoch, was die Ursache, und was die Folge ist: Führt sozialer Kontakt tatsächlich zu besseren intellektuellen Leistungen – oder führen umgekehrt bessere intellektuelle Leistungen zu mehr sozialem Kontakt? Beide Richtungen sind möglich und spiegeln das bekannte Henne-Ei-Problem vieler Umfragen wider. Um dieses Problem zu lösen, führten Ybarra und Kollegen ein Experiment durch, anhand dessen Ursache und Effekt voneinander getrennt werden können.

Die Forscher luden Studierende in ihr Labor ein und unterteilten diese zufällig in drei Gruppen. In der ersten Gruppe traten die Teilnehmer miteinander in Kontakt, indem sie zehn Minuten lang eine Diskussion führten. Die zweite Gruppe vollführte zehn Minuten lang ein anstrengendes Gehirnjogging mit Kreuzworträtseln und anderen Aufgaben, hatte jedoch keinen sozialen Kontakt. Die dritte Gruppe schließlich sah für zehn Minuten ein Video. Alle drei Gruppen bearbeiteten dann den gleichen Leistungs­test. Wenn sozialer Kontakt tatsächlich wie ein Gehirnjogging wirkt, dann sollte die erste Gruppe (sozialer Kontakt) bei diesem Leistungs­test gleich gut wie die zweite Gruppe (Gehirnjogging) abschneiden. Die dritte Gruppe hingegen, die weder sozialen Kontakt hatte noch ein Gehirntraining absolvierte, sollte deutlich schlechter abschneiden. Und tatsächlich fanden die Forscher, dass die erste und zweite Gruppe den Leistungs­test gleich gut und beide Gruppen besser als die dritte meisterten. Offensichtlich hat sozialer Kontakt also eine ähnliche Wirkung auf unsere kognitive Leistungs­fähigkeit wie Gehirnjogging. Doch warum?

Die Autoren nehmen an, dass der Umgang mit anderen Menschen unser Gehirn beansprucht. Wenn wir uns mit Anderen unterhalten, müssen wir nicht nur zuhören, sondern auch unser Gegenüber beobachten, seine Mimik und Gestik interpretieren sowie unsere eigene Aussprache, Mimik, Gestik und unser Verhalten planen. All diese Aufgaben fordern und trainieren unser Gehirn. Allerdings gilt dies nur für den Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Nach Ansicht der Autoren trainiert sozialer Kontakt über das Internet unser Gehirn sehr viel weniger, da die Kommunikation langsamer verläuft und wir nur Worte lesen und schreiben, Mimik und Gestik jedoch wegfallen. Demnach halten Emails, Messenger-Services und Co. also unser Gehirn weniger fit als der direkte Austausch mit anderen.

Ybarra, O., Burnstein, E., Winkielman, P., Keller, M. C., Manis, M., Chan, E., Rodriguez, J. (2008). Mental exercising through simple socializing: Social interaction promotes general cognitive functioning. Personality and Social Psychology Bulletin, 34(2), 248–259.

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