Stolz und Vorurteil

- Laura Wähler –

Die Art von erlebtem Stolz beeinflusst, wie wir anderen Menschen gegenüber empfinden.

Wer kennt ihn nicht, den Klassiker von Jane Austen: Stolz und Vorurteil. Der Protagonist Mr. Darcy ist ein stolzer Mann, was sich in ganz unterschiedlicher Weise äußert: Einerseits ist Mr. Darcy „eingebildet und hochnäsig“ und verachtet alle, die nicht zu seiner sozialen Klasse gehören. Andererseits zeichnet er sich durch „Redlichkeit und Ehre“ und seine Großmütigkeit gegenüber anderen aus. Doch gibt es wirklich diese zwei Arten von Stolz? Und wie hängen diese mit Vorurteilen zusammen?

In bisheriger Forschung haben sich in der Tat zwei Arten von Stolz herauskristallisiert: authentischer und überheblicher Stolz. Authentischer Stolz beinhaltet, dass Erfolg als Ergebnis eigener Anstrengung angesehen wird („Ich habe die Klausur bestanden, weil ich viel gelernt habe“). Überheblicher Stolz bedeutet, dass Erfolg auf die eigene Person zurückgeführt wird und somit als unveränderlich angesehen wird („Ich habe das geschafft, weil ich großartig bin“). 

Mit diesem Thema haben sich auch die Forscherinnen Claire E. Ashton-James und Jessica L. Tracy befasst. Sie vermuteten, dass Personen mit überheblichem Stolz mehr Vorurteile haben als Personen mit authentischem Stolz.

Um dies zu testen, führten die Forscherinnen eine Studie mit College-StudentInnenen in Kanada durch. Ein Teil der Teilnehmenden sollte eine Situation  beschreiben, in der sie sich überlegen gefühlt hatten, während die anderen Teilnehmenden beschreiben sollten, wie sie eine Herausforderung bewältigt haben. Hierdurch sollte überheblicher beziehungs­weise authentischer Stolz hervorgerufen werden.  Danach füllten die Teilnehmenden einen „Fragebogen zur Bevölkerung“ aus, in dem sie schätzen sollten, wie viel Prozent der Asiaten und Weißen in Kanada bestimmte positive und negative Eigenschaften haben.

Asiaten sind in Kanada zwar häufig angesehen, werden  teilweise aber auch diskriminiert. Die Vermutung der Forscherinnen, dass Menschen mit überheblichem Stolz mehr Vorurteile gegenüber solchen stigmatisierten Gruppen haben als Personen mit authentischem Stolz, wurde  durch die Studie bestätigt: Die Teilnehmenden wiesen Asiaten mehr negative Eigenschaften zu als Weißen, wenn sie zuvor über das Erleben von überheblichem Stolz geschrieben hatten. Nach dem Schreiben über das Erleben von authentischem Stolz berichteten die Teilnehmenden dagegen weniger Vorurteile und schätzten Asiaten sogar positiver ein als Weiße. Diese Ergebnisse ließen sich auch mit einer weiteren Minderheit, Homosexuellen, bestätigen.

Eine mögliche Erklärung für die Ergebnisse findet sich in der Bezeichnung „überheblicher Stolz“. Dieser Stolz führt zu Distanz, sodass sich Personen weniger in andere hineinversetzen können. Während Personen mit authentischem Stolz eher die schwierige Lage anderer verstehen, gelingt dies bei überheblichem Stolz nicht, was zu vermehrten Vorurteilen führen kann.

Die Tatsache, dass überheblicher Stolz mit mehr Vorurteilen einhergeht, ist nicht nur für das Verständnis von Austens Klassiker hilfreich. Menschen in Machtpositionen sollten wir wünschen, dass sie mit authentischem Stolz auf dem Boden bleiben und anerkennen, dass sie nicht besser sind als andere.

Ashton-James, C.E. & Tracy, J.L. (2011). Pride and Prejudice: How Feelings About the Self Influence Judgments of Others. Personality and Social Psychology Bulletin, 10(5), 1–11.

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