Stress ist nicht immer schlecht!

- Andreas Neubauer –

Ob Stress hinderlich ist, kann davon abhängen, ob man ihn grundsätzlich negativ betrachtet oder an die positiven Effekte von Stress glaubt.

Fühlen Sie sich manchmal gestresst und wünschten Sie, dass Sie weniger Stress hätten? Damit sind Sie nicht allein. Schließlich finden sich in Buchläden schier unzählige Ratgeber dazu, wie man Stress und seine negativen Folgen reduzieren kann. So scheint die Erwartung allgegenwärtig zu sein, dass Stress uns zu sehr unter Druck setzt und leistungs­hinderlich ist. Ausgerechnet solch ein Denkmuster kann laut Alia Crum und ihren Kollegen paradoxer Weise hinderlich sein. Es verleitet zum Grübeln und lenkt den Fokus darauf, Stress zu vermeiden anstatt ihn zu akzeptieren und aktiv zu nutzen. Letzteres sollten eher Menschen umsetzen, die von Stress positive Effekte erwarten, beispielsweise, dass er sie erst so richtig aufblühen lässt und ihre Produktivität steigert.

Solche unterschiedlichen Denkmuster bezeichnen die AutorInnen als „Mindsets“ und vermuten, dass sie unser Verhalten und Erleben in Stresssituationen wesentlich beeinflussen. Spezifisch untersuchte das Forschungs­team, ob Personen mit einem positiven Stress-Mindset eher Rückmeldungen zu ihrer Leistung in schwierigen Situationen einfordern als Personen mit einem negativen Stress-Mindset. Für letztere sollte die Leistungs­rückmeldung eher einen zusätzlichen Stressfaktor darstellen, den es zu vermeiden gilt. Personen mit positiven Erwartungen sollten diesen hingegen in Kauf nehmen, um sich durch das Feedback zu verbessern. 

Um dieser Frage nachzugehen, wurde das Stress-Mindset von Studierenden mit einem Fragebogen erfasst. Später im Semester wurden sie während einer Vorlesung, in der es unter anderem um charismatisches Auftreten ging, angewiesen, eine Rede zu schreiben. Dabei wurde ihnen mitgeteilt, dass fünf Studierende per Zufall ausgewählt würden, ihre Rede in der Veranstaltung vorzutragen. Die Situation wurde als besonders herausfordernd dargestellt, da parallel eine Videokamera laufen und ein Expertenteam anwesend sein würde. 

Während der kurzen Vorbereitungs­zeit für die Rede wurde erfragt, wie gern die Studierenden gegebenenfalls ein Feedback zu ihrer Rede von ihren KommilitonInnen und den ExpertInnen hätten. Wie erwartet, wollten Studierende mit einem positiveren Stress-Mindset eher eine Rückmeldung zu ihrer Leistung als jene mit einem negativeren Mindset.

Ermutigend stimmen weitere Befunde einer einwöchigen Studie mit Angestellten eines Finanz­instituts, das sich in einer kritischen Lage befand: Angestellte, denen über Videos ein positives Stress-Mindset vermittelt worden war, gaben bessere Arbeits­leistungen und weniger gesundheitliche Beschwerden an als Angestellte, die keine Videos oder Videos über die negativen Effekte von Stress gesehen hatten. Ob diese positiven Effekte auch über einen längeren Zeitraum als die hier untersuchte einwöchige Phase anhalten, sollte zukünftig untersucht werden.  

Jetzt lässt sich aber schon festhalten, dass es darauf ankommen kann, mit welchem Mindset man einer stressigen Situation begegnet. Stress lässt sich häufig nicht vermeiden (auch wenn wir uns das oft wünschen). Die eigene Einstellung zum Stress kann man jedoch ändern und man sollte aufpassen, sich durch eine negative Sicht nicht selbst zu behindern. Stress positiv zu betrachten, kann dabei helfen. 

Crum, A. J., Salovey, P., & Achor, S. (2013). Rethinking stress: The role of mindsets in determining the stress response. Journal of Personality and Social Psychology, 104(4), 716–733. 

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