Stress – Reine Kopfsache?

- Helene Lerch, Sarah Schönweitz & Jan Lorenz Westermann –

Die Einstellung zu Stress kann unser Wohlbefinden und unsere Leistung beeinflussen – und sie lässt sich verändern.

Stressreiche Tage sind uns allen bekannt. Frühmorgens klingelt der Wecker. Aufstehen, anziehen, frühstücken und rein in den Tag. Der Schreibtisch liegt voll mit Dingen, die zu erledigen sind. Es ist noch nicht einmal Mittag und schon fühlen wir uns erschöpft. Auch die Forschung zeigt die negativen Aus­wirkungen von Stress auf die psychische und physische Gesundheit. Aber ist es wirklich der Stress an sich oder ist es unsere Einstellung zu Stress, die zu negativen Aus­wirkungen führt? Einige Menschen macht Stress produktiver, andere wiederum macht er krank. Er kann ein guter und sinnvoller Motivator, allerdings auch ein enormer Dämpfer sein. Denn: Wie wir über Stress denken, kann beeinflussen, wie wir mit diesem umgehen und ihn empfinden.

Bisherige Forschung zeigt, dass eine „Stress-ist-fördernd“-Einstellung gegenüber einer „Stress-ist-bremsend“-Einstellung positive Aus­wirkungen auf die Leistungs­fähigkeit und das Wohlbefinden haben kann. Eine „Stress-ist-bremsend“-Einstellung beschreibt einen Fokus auf mögliche negative Konsequenzen durch Stress, wie beispielsweise Erschöpfung. Eine “Stress-ist-fördernd“-Einstellung beschreibt einen Fokus auf mögliche positive Konsequenzen durch Stress, wie beispielsweise höhere Motivation und Leistungs­fähigkeit, und kann zum Beispiel durch vorstellungs­basierte Übungen erreicht werden.

Ob diese Übungen auch langfristig die „Stress-ist-fördernd“-Einstellung erhalten können und sich dadurch Gesundheit, Wohlbefinden sowie die akademische Leistung verbessern, untersuchte ein Team um Jacob Keech in einer Studie an Studierenden, die über einen Zeitraum von zwei Wochen begleitet wurden. Die Studierenden wurden dazu in zwei Gruppen eingeteilt: Einer Übungs­gruppe wurden Übungs­videos gezeigt, bei denen sie angeleitet wurden, sich die positiven Konsequenzen von Stress bewusst zu machen, um so eine „Stress-ist-fördernd“-Einstellung zu bilden. Einer Vergleichs­gruppe wurden lediglich bedeutungs­lose Videos präsentiert. Die Studierenden füllten außerdem Fragebögen zu ihrer Einstellung, ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden aus.

Direkt nach den Übungen und auch nach einem Zeitraum von zwei Wochen konnte zwar eine Veränderung hin zu einer „Stress-ist-fördernd“-Einstellung beobachtet werden im Gegensatz zur Vergleichs­gruppe, die eher eine „Stress-ist-bremsend“-Einstellung aufwies, die Aus­wirkung auf die Gesundheit und auf die Leistung waren jedoch gering. Aus diesem Grund betrachteten die Forschenden die Ergebnisse nun aus einem anderen Blickwinkel: Bei denjenigen, die sich grundsätzlich wenig Stress ausgesetzt fühlten, bemerkten die Forschenden trotz Übungen keine Veränderung in Wohlbefinden, Gesundheit und Leistung. Diejenigen, die grundsätzlich ein hohes Maß an Stress empfanden, zeigten zwar keine Verbesserung in der Gesundheit, aber höheres Wohlbefinden und auch bessere Noten dank der Übungen.

Die Einstellung zu Stress konnte also mit einer kurzen Übungs­sequenz beeinflusst werden. Anders mit Stress umzugehen, kann den Befunden nach insbesondere für diejenigen, die sich sehr gestresst fühlen, eine Möglichkeit darstellen, im stressigen Alltag Verbesserungen in Wohlbefinden und Leistung zu erzielen.

Diese Methode kann gerade für Menschen mit hohem Stresslevel ein Richtungs­weiser dafür sein, Stress positiv nutzen zu können. In Zukunft sehen wir den vollen Schreibtisch vielleicht in einem anderen Licht.

 

Keech, J. J., Hagger, M. S., & Hamilton, K. (2019). Changing stress mindsets with a novel imagery intervention: A randomized controlled trial. Emotion. Advance online publication. https://doi.org/10.1037/emo0000678

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Thomas Dyllick¹Janin Rössel

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