Trauerbewältigung – Handeln statt Aussitzen!

- Theresa Gädeke & Karola Kusber –

Das Ausführen von Ritualen kann die empfundene Trauer nach Verlusten mindern.

,,Ich hab dir Briefe geschrieben, die du auf allen möglichen Wegen erhalten wirst, und du musst tun, was ich dir darin sage, okay?“ In dem Film ,,P.S. Ich liebe dich“ schickt Gerry seiner geliebten Frau nach seinem Tod Briefe, um ihr zu helfen, die Trauer um ihn zu überwinden. Die Briefe enthalten symbolische Handlungen, die seine Frau ausführen soll. Zum Beispiel soll sie sich etwas Neues zum Anziehen kaufen, was als Symbol für einen Neuanfang gesehen werden kann. Inwieweit das Ausführen von Ritualen –symbolischen Handlungen, die im Zusammenhang mit einem bedeutsamen Ereignis wie einem Verlust stehen– bei der Trauerbewältigung hilft, untersuchten die Forschenden Micheal I. Norton und Francesca Gino in einer Reihe von Experimenten.

Trauer geht immer auch mit verringerten Kontrollgefühlen einher. Norton und Gino nahmen daher an, dass das Ausführen von Ritualen nach einem Verlust die Trauer um den Verlust mindert, weil dadurch ein Gefühl von Kontrolle vermittelt wird.

In einem Experiment sollten sich die Teilnehmenden an den Verlust eines geliebten Menschen durch Tod oder durch das Ende einer Beziehung erinnern. Danach sollte eine Hälfte der Teilnehmenden zusätzlich über ein Ritual schreiben, das sie im Zusammenhang mit dem Verlust ausgeführt haben. Es zeigte sich, dass das Schreiben über ein Ritual den mit der Trauer einhergehenden Kontrollverlust reduzierte und in der Folge weniger Trauer berichtet wurde. Dabei spielte es keine Rolle, um welche Art von Verlust (Tod oder Beziehungs­ende) es sich handelte oder ob die Teilnehmenden an die Wirkung von Ritualen glaubten.

Das Forschungs­team ging zudem der Frage nach, ob ein Ritual tatsächlich ausgeführt werden muss, um die Trauer nach einem Verlust mindern zu können. In einem weiteren Experiment wurde den Teilnehmenden, die jeweils zeitgleich im Labor waren, erklärt, dass eine/r von ihnen per Zufall als GewinnerIn von 200 Dollar ausgewählt werden würde. Damit die Nicht-Ausgewählten auch tatsächlich das Gefühl hatten, einen Verlust zu erleiden, überlegten alle Teilnehmenden vor der Auswahl, wie sie das Geld im Falle eines Gewinns ausgeben würden. Die Teilnehmenden, die nicht gewannen, wurden anschließend zufällig einer von vier Gruppen zugeteilt. Während die erste Gruppe die Information erhielt, dass Trauernde nach einem Verlust häufig Rituale ausführen, wurde der zweiten Gruppe gesagt, dass Trauernde nach einem Verlust häufig in Stille sitzen. Die anderen beiden Gruppen sollten darüber hinaus ein vorgegebenes Ritual ausführen beziehungs­weise für einige Minuten stillsitzen. Es zeigte sich, dass nur das tatsächliche Ausführen eines Rituals, nicht aber in Stille sitzen oder die bloße Information über Rituale oder das Stillsitzen nach einem Verlust, die Trauer um das nicht gewonnene Geld minderte. Dieses Ergebnis konnte darauf zurückgeführt werden, dass die Teilnehmenden durch das Ausführen des Rituals stärkere Gefühle von Kontrolle wahrnahmen.

Gerrys Einfall in „P.S. Ich liebe dich“ ist also nicht nur eine süße Idee, sondern scheint wirklich eine hilfreiche Strategie zur Trauerbewältigung zu sein.

Norton, M. L., & Gino, F. (2014). Rituals alleviate grieving for loved ones, lovers, and lotteries. Journal of Experimental Psychology: General, 143, 266–272.

© Forschung erleben 2014, alle Rechte vorbehalten

Zurück