Und Gewinner*in ist ...?

- Biljana Rudic –

Wir Menschen überschätzen die Gewinnaussichten anderer Personen, da wir selektiv nach Gründen suchen, die den Gewinn nahelegen.

Ich war dieses Jahr in Kanada, kurz bevor dort die Parlamentswahlen durchgeführt wurden.  Zu meiner Freundin sagte ich: „Ich wette, dass Justin Trudeau die Wahlen wieder gewinnt“. Ich lag mit meiner Prognose richtig.

Mein Beispiel zeigt, dass wir Menschen dazu neigen, Vorhersagen über die Erfolgsaussichten unserer Mitmenschen zu treffen. Dies machen wir in vielen Bereichen, zum Beispiel im Sport oder der Politik. Die Vorhersagen haben oft große Aus­wirkungen auf unser Verhalten und die damit verbundenen Konsequenzen. Man denke nur an Wetteinsätze oder Wahlentscheidungen. Wir sollten also motiviert sein, Vorhersagen möglichst zutreffend zu formulieren. Doch wie entwickeln wir Vorhersagen, die sich auf die Erfolgsaussichten anderer beziehen? Welche mentalen Prozesse liegen dem also zugrunde?

Bisherige Forschung konnte zeigen, dass Individuen vor dem Treffen einer Vorhersage oft Annahmen bezüglich möglicher Handlungs­ergebnisse prüfen. Beispielsweise könnten wir nach Hinweisen suchen, warum unsere Bekannte, die sich auf eine Arbeits­stelle beworben hat, selbige auch tatsächlich erhält. Alternativ könnten wir überlegen, warum dies nicht der Fall sein sollte. Aufgrund kognitiver Einschränkungen können wir Menschen zu einem Zeitpunkt allerdings nur eine Annahme testen. Für die endgültige Prognose ist daher oft entscheidend, welche Vermutung uns zuerst in den Sinn kommt. Bei anderen Personen neigen wir zum Beispiel dazu, zunächst positive Eigenschaften zu vermuten.

Auf diesen Befunden aufbauend, nahm ein Forschungs­team um Daniella Kupor an, dass Menschen erwarten, dass andere Personen ihre gesetzten Ziele erreichen. Daher sollten sie beim Entwickeln von Prognosen für andere eher die Erfolgsannahme testen. Hieraus sollte sich wiederum eine systematische Überschätzung der entsprechenden Erfolgswahrscheinlichkeit ergeben.

Um ihre Annahmen zu überprüfen, führten die Forschenden mehrere Studien durch. In einem Experiment sollten die Teilnehmenden einschätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit zwei Fotografinnen einen Wettbewerb gewinnen würden. Zwei Gruppen der Befragten sollte dabei überlegen, was die Absicht der Fotografinnen in dem Wettbewerb sei und welche Hinweise für (vs. gegen) einen Gewinn sprächen. Eine dritte Gruppe erhielt keine Instruktion. Alle Teilnehmenden sollten dann als Entscheidungs­hilfe vermeintliche Einschätzungen anderer Personen lesen. Hierbei konnten sie drei aus sechs Bewertungen wählen. Die Überschriften der einzelnen Bewertungen deuteten an, ob diese eher positiv oder negativ ausfielen.

Es zeigte sich, dass die Befragten, die keine Instruktion erhalten hatten, wie die Befragten, die nach Hinweisen für die Erfolgsaussichten suchen sollten, verstärkt solche Bewertungen auswählten, die den Gewinn der Frauen nahelegten. Personen, die nach Gründen für einen Misserfolg suchen sollten, wählten verstärkt die negativen Einschätzungen. Weiter ließ sich darlegen, dass die selektive Gewinn-Annahme meist zu einer Überschätzung der Gewinnwahrscheinlichkeit führte.

Die Studien weisen darauf hin, dass wir Menschen spontan und selektiv die Annahme testen, dass andere ihre Ziele erreichen, und wir so deren Erfolgswahrscheinlichkeit überschätzen.

Ich jedenfalls werde genau darauf achten, welche Prognose ich bei der kommenden US-Wahl treffe, und ob ich spontan die Annahme prüfe, dass die Wettbewerbsbemühungen von Donald Trump erfolgreich sein werden.

 

Kupor, D., Brucks, M. S., & Huang, S. C. (2019). And the winner is...? Forecasting the outcome of others’ competitive efforts. Journal of Personality and Social Psychology. doi:0.1037/pspa0000165

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Bianca von Wurzbach¹, Lea Nahon

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