Unmoralisch – also inkompetent?

- Mathias Twardawski –

Wenn sich eine Person unmoralisch verhält, wird sie weniger kompetent eingeschätzt, da sie für wenig sozial intelligent gehalten wird.

Wichtige Bausteine einer Bewerbung sind heutzutage nicht nur gute Zeugnisse, ein lückenloser Lebens­lauf und ein überzeugendes Anschreiben. Auch der Auftritt im Netz ist ein immer bedeutsamerer Faktor bei der Jobsuche geworden. So greifen einige Organisationen auf soziale Medien zurück, um mehr über die Bewerberinnen und Bewerber zu erfahren. Was aber, wenn hierbei Informationen über den vermeintlichen moralischen Charakter der Person preisgegeben werden?

Die beiden Forschenden Jennifer E. Stellar und Robb Willer nahmen an, dass Informationen über unmoralisches Handeln einer Person nicht nur ein schlechtes Licht auf deren Charakter werfen, sondern auch die Einschätzung ihrer Kompetenz negativ beeinflussen. Dies erklären die Forschenden damit, dass der Verstoß gegen moralische Regeln dazu führt, dass die soziale Intelligenz – also die Fähigkeit das eigene Verhalten in komplexen sozialen Situationen anzupassen – geringer eingeschätzt wird. Da diese wiederum ein wichtiger Teil der generellen Kompetenz einer Person darstellt, leidet die Einschätzung der gesamten Kompetenz durch die Beobachtung unmoralischen Verhaltens.

Ihre Annahme testete die Forschungs­gruppe in mehreren Experimenten. In einem dieser Experimente erhielten Teilnehmende eine Kurzbeschreibung über das Verhalten einer Person in der Freizeit. Diese Beschreibung wurde zwischen den Teilnehmenden variiert: Sie enthielt entweder ein positives oder ein negatives Ereignis. Darüber hinaus war das Verhalten entweder moralisch aufgeladen (z.B. dem Ehe­partner untreu oder treu sein) oder nicht (z.B. Misserfolg oder Erfolg im Sport). Anschließend sollten die Teilnehmenden einschätzen, wie gut die beschriebene Person vermutlich bei der Arbeit ist. Wie erwartet zeigte sich, dass sich negativ verhaltenden Personen eine geringere Kompetenz zugeschrieben wurde als Personen, die sich positiv verhalten hatten. Dies galt jedoch stärker, wenn es sich um ein unmoralisches Verhalten, nicht aber wenn es sich um ein negatives Verhalten in anderen Kontexten handelte.

In einem weiteren Experiment konnte darüber hinaus gezeigt werden, dass dieses Ergebnis auf die unterschiedliche Wahrnehmung der sozialen Intelligenz durch unmoralisches Veralten zurückgeführt werden kann. Versuchsteilnehmende sollten die Kompetenz eines Mannes anhand eines Fotos, sowie Angaben zu verschiedenen Eigenschaften einschätzen. Eine Hälfte der Teilnehmenden erhielt hierbei die Beschreibung eines moralischen Mannes, während die andere Hälfte die Beschreibung eines unmoralischen Mannes erhielt. Darüber hinaus wurde der Mann für eine Hälfte der Teilnehmenden als sehr sozial intelligent beschrieben, während die andere Hälfte der Teilnehmenden keine solche zusätzliche Information bekam. Es zeigte sich, dass der unmoralische Mann im Vergleich zu dem moralischen Mann erneut als weniger kompetent eingeschätzt wurde. Allerdings war dieser Unterschied deutlich schwächer, wenn der Mann zusätzlich als sozial intelligent beschrieben war.

Diese Forschungs­arbeit zeigt, dass die Einschätzung der Kompetenz einer Person davon abhängen kann, welchen moralischen Eindruck wir von ihr haben. So könnte etwa ein Post in sozialen Medien, der als unmoralisch wahrgenommen wird, dazu führen, dass andere nicht nur Zweifel an unserem Charakter, sondern auch an unserer Kompetenz haben – was im Extremfall die Chance auf den Traumjob verwehren könnte.

Stellar, J. E., & Willer, R. (2018). Unethical and inept? The influence of moral infor-mation on perceptions of competence. Journal of Personality and Social Psychology, 114, 195–210. doi:10.1037/pspa0000097

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Mariela Jaffé*, Michael Wagner

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