Versprich nur, was du halten kannst!
Stellen Sie sich vor, Sie streichen Ihre neue Wohnung und ein Freund hat Ihnen versprochen, zwei Stunden zu helfen. Nach diesen zwei Stunden ist jedoch nicht einmal die Hälfte geschafft. Da beschließt Ihr Freund, Sie nicht im Stich zu lassen und bleibt weitere zwei Stunden, bis alles fertig gestrichen ist. Freuen Sie sich über diese unerwartete Hilfe? Sicherlich. Und hätten Sie sich genauso gefreut, wenn Ihr Freund nach zwei Stunden gegangen wäre?
Ayelet Gneezy und Nicholas Epley würden diese Frage wohl bejahen. In einer Reihe von Studien widmeten sie sich den Konsequenzen von gebrochenen, eingehaltenen und übererfüllten Versprechen. Dabei war ihre erste – und sehr einleuchtende – Annahme, dass gebrochene Versprechen negativer bewertet werden als eingehaltene. Interessanter ist ihre zweite Annahme, dass übererfüllte Versprechen jedoch nicht besser bewertet werden als lediglich eingehaltene Versprechen. Eine solche Asymmetrie kann entweder dadurch entstehen, dass eingehaltene Versprechen überbewertet, oder dadurch, dass übererfüllte Versprechen unterbewertet werden. Die Forschenden tippten darauf, dass beim Einhalten eines Versprechens der Aspekt der bewiesenen Vertrauenswürdigkeit so stark ins Gewicht fällt, dass das Ausmaß der Erfüllung nicht mehr so wichtig ist.
Diese Hypothesen prüften die Forschenden in einem Experiment, in dem die Versuchspersonen immer als Paare gleichzeitig teilnahmen. Person A sollte ein Aufgabenblatt mit 40 Aufgaben bearbeiten, wofür sie pro richtig gelöster Aufgabe Geld verdienen konnte. Person B wurde (ohne Wissen von Person A) instruiert, Hilfe anzubieten und Person A das Versprechen zu machen, zehn Aufgaben zu übernehmen. Tatsächlich sollte aber nur ein Drittel aller Personen B wirklich zehn Aufgaben lösen – ein Drittel sollte das Versprechen brechen und nur fünf lösen, das letzte Drittel hingegen das Versprechen übererfüllen und 15 Aufgaben lösen. Nachdem Person A die gelösten Aufgaben erhalten hatte, bewertete sie ihre Fröhlichkeit und Dankbarkeit gegenüber Person B und schätzte das Bemühen von Person B ein sowie deren Absicht, das gemachte Versprechen zu erfüllen.
Es zeigte sich das erwartete Ergebnis: Hatte Person B das Versprechen gebrochen, war Person A im Durchschnitt weniger fröhlich und dankbar und gestand Person B weniger Bemühen und gute Absicht zu, als wenn Person B das Versprechen gehalten hatte. Jedoch fanden sich keine Unterschiede zwischen eingehaltenen und übererfüllten Versprechen. Dabei ist objektiv klar, dass das Lösen von 15 Aufgaben mehr Aufwand kostet und Person A mehr Gewinn bringt als das Lösen von 10 Aufgaben. In einem weiteren Experiment bestätigten Gneezy und Epley die Annahme, dass die Asymmetrie in der Bewertung durch die Überbewertung eingehaltener Versprechen entsteht. Vermutlich zeigt sich darin die evolutionäre Wichtigkeit von Vertrauenswürdigkeit.
Kann man sich Großzügigkeit also sparen? Die Ergebnisse lassen vermuten, dass es durchaus verschwendete Mühe sein kann, Versprechen übererfüllen zu wollen. Man sollte seine Energie wohl besser darauf verwenden, ein Versprechen überhaupt zu halten – denn das kann bekanntlich schon schwer genug sein.
Gneezy, A., & Epley, N. (2014). Worth keeping but not exceeding: Asymmetric consequences of breaking versus exceeding promises. Social Psychological and Personality Science, 5(7), 796–804. doi:10.1177/1948550614533134
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