Versteckte Botschaften für Kinder
Viel hat sich hinsichtlich Gleichberechtigung getan, aber Schubladendenken ist fest in unserem Denken verankert. Seien es Stereotype wie „Jungs weinen nicht“ und „Mädchen spielen mit Puppen“ – Menschen denken in Gruppen mit vermeintlich typischen Eigenschaften. Solche Bilder können sich bereits früh entwickeln und nicht nur die Wahrnehmung von Kindern, sondern auch ihre Entwicklung beeinflussen. Die Entstehung von Schubladendenken ist kaum erforscht, doch Forschung deutet darauf hin, dass Sprache bei der frühen Vermittlung von Stereotypen ein wichtiges Zahnrädchen sein kann. Verallgemeinernde Aussagen scheinen hierbei wichtig zu sein.
In Gesprächen mit Kindern verwenden Erwachsene häufig verallgemeinernde Aussagen über Gruppen wie „Mädchen sind fürsorglich“ oder „Jungs sind durchsetzungsstark“. Das Forschungsteam Kelsey Moty und Marjorie Rhodes interessierte sich für versteckte Botschaften in diesen Aussagen. Sie nahmen an, dass sich Aussagen über eine Gruppe wie „Jungs spielen gern Fußball“ nicht nur auf die Vorstellung von Kindern über die erwähnte Gruppe (hier Jungs) auswirken, sondern im Kontrast auch auf unerwähnte Gruppen. Die versteckte Botschaft wäre demnach, dass Mädchen nicht gern Fußball spielen. Schließlich ist Schubladendenken oft durch den Vergleich von Gruppen geprägt: Frauen und Männer, Jung und Alt, Groß und Klein. Das Prinzip ist also „Wenn etwas für Gruppe A gilt, gilt es für Gruppe B nicht“.
In den Studien stellte das Forschungsteam 4- bis 7-jährigen Kindern eine fiktive Stadt mit einem animierten Cartoon vor. In dieser Stadt lebten zwei Gruppen, die sich in der Farbe der Kleidung unterschieden – die „Zarpies“ und die „Gorps“. Aus den dargestellten Gruppenmitgliedern wurden einzelne Personen herausgegriffen und mit verschiedenen Eigenschaften in Verbindung gebracht. Dafür wurde entweder eine spezifische Aussage („Dieses Zarpie kann gut Pizza backen“) oder eine verallgemeinernde Aussage („Zarpies können gut Pizza backen“) verwendet. Daraufhin sahen die Kinder nacheinander eine andere Person der Zarpies und der Gorps und wurden gefragt, ob diese Personen auch gut Pizza backen können. Die Verallgemeinerung auf weitere Gruppenmitglieder wurde für verschiedene Eigenschaften untersucht.
Die Ergebnisse bestätigen die Annahmen des Forschungsteams: Kinder schlossen von verallgemeinernden Aussagen darauf, dass andere Gruppenmitglieder die erwähnten Eigenschaften aufweisen – so nahmen sie an, dass auch andere Zarpies gut Pizza backen können. Zudem schlossen die Kinder aber auch, dass Gorps nicht gut Pizza backen können, obwohl diese Gruppe im Zusammenhang mit der Eigenschaft gar nicht erwähnt wurde! Diese Effekte fanden sich auch bei spezifischen Aussagen, aber deutlich schwächer.
Verallgemeinernde Aussagen können Kindern also mehr vermitteln als gewollt. Auf diese Weise könnten bestehende Stereotype wie „Frauen kümmern sich um andere (und Männer nicht)“ oder „Männer sind starke Führungspersonen (und Frauen nicht)“ an Kinder weitergegeben werden und könnten so auch dazu beitragen, dass Frauen häufiger in Pflegeberufen und Männer häufiger in Führungspositionen arbeiten. In den Untersuchungen des Forschungsteams zeigten sich die Effekte versteckter Botschaften auch bei Erwachsenen. Besonders prägend könnten sie aber in der Entwicklungsphase sein, in der Kinder lernen, soziale Gruppen und ihre (vermeintlichen) Eigenschaften zu unterscheiden.
Moty, K. & Rhodes, M. (2021). The unintended consequences of the things we say: What generic statements communicate to children about unmentioned categories. Psychological Science 32(2), 189–203. https://doi.org/10.1177/0956797620953132
Redaktion und Ansprechpartner*in¹: Janin Rössel¹, Lea Nahon
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