Verträglichkeit ist nicht gut für’s Gehalt!

- Kim-Leonie Büsgen –

Verträgliche Männer verdienen weniger als ihre weniger umgänglichen Kollegen.

Verträglichkeit spielt bei zwischenmenschlichen Beziehungen eine wichtige Rolle – mit einer aufrichtigen, kompromiss- und hilfsbereiten Person lebt und arbeitet es sich schließlich besser. Jedoch werden diese Eigenschaften eher von Frauen als von Männern erwartet. Männer sollten hingegen stereotypgemäß ein starkes Durchsetzungs­vermögen und Konkurrenzdenken an den Tag legen – Verträglichkeit ist hierfür eher abträglich, insbesondere im Arbeits­kontext. Dies verdeutlicht auch der Satz „nice guys finish last“ des Baseball Managers Leo Durocher aus dem Jahre 1949. Aber haben nette Männer im Arbeits­leben tatsächlich Nachteile? Diese Frage untersuchte das Forschungs­team um Timothy A. Judge. Die Forschenden gingen davon aus, dass Verträglichkeit allgemein mit einem niedrigeren Gehalt einhergeht. Allerdings sagten sie stärkere Einbußen für verträgliche Männer vorher, im Vergleich zu Frauen, da Männer durch einen verträglichen Umgang gegen stereotype Erwartungen verstoßen und deshalb wahrscheinlich negativer bewertet werden.

Um ihre Annahmen zu überprüfen, nutzen sie unter anderem Daten von 1.691 Vollzeitbeschäftigten aus einer groß angelegten Befragungs­studie in den USA, in welcher neben Persönlichkeits­eigenschaften auch die Gehälter und Berufe der Teilnehmenden erfasst wurden. Wie erwartet zeigte sich, dass Männer ein geringeres Gehalt aufwiesen je stärker sie beispielsweise angaben, rücksichtsvoll, kooperativ oder nett zu sein. Bei Frauen zeigte sich dagegen kein bedeutsamer Effekt ihrer Verträglichkeit – sie verdienten im Schnitt allerdings weniger als Männer. 

An den gefundenen Gehalts­unterschieden änderte sich selbst dann nichts, wenn man für die Berufs­gruppe und berufliche Verantwortung der Befragten kontrollierte – die Befunde lassen sich also nicht einfach dadurch erklären, dass Frauen und verträgliche Männer weniger gut bezahlte Berufe (wie z.B. VerkäuferIn) oder Berufe mit weniger Verantwortung inne haben. Doch wie kann man die gefundenen Unterschiede erklären?

Die Forschenden vermuteten, dass verträglichen Menschen soziale Beziehungen wichtiger sind als eine gute Bezahlung. Personen, die sich hingegen selbst als weniger verträglich sehen, legen wahrscheinlich einen größeren Wert auf persönliche Vorteile und eine gute Bezahlung. Entsprechende Wertvorstellungen waren in der Befragung erfasst wurden – und in der Tat konnte der Zusammenhang zwischen Verträglichkeit und niedrigerem Gehalt bei Männern teilweise auf solche unterschiedlichen Wertvorstellungen zurückgeführt werden. Auch Frauen wiesen eine höhere Wertschätzung sozialer Beziehungen gegenüber einem hohen Gehalt auf. Die Wirkzusammenhänge müssen in weiterer Forschung aber noch näher untersucht werden. Zudem wäre es für die Zukunft interessant, die Rolle negativer Bewertungen aufgrund von Stereotypen zu untersuchen.

Zusammengefasst scheinen die Ergebnisse Leo Durocher recht zu geben: „nice guys“, bzw. verträgliche Männer, ziehen den Kürzeren – zumindest wenn es um das Gehalt geht. Doch wenig umgänglich zu sein hat auch Nachteile: So konnte das Forschungs­team in anderen Studien beispielsweise zeigen, dass  die persönliche Verträglichkeit mit einer höheren Lebens­zufriedenheit einhergeht.

Judge, T. A., Livingston, B. A., & Hurst, C. (2012). Do nice guys—and gals—really finish last? The joint effects of sex and agreeableness on income. Journal of Personality and Social Psychology, 102, 390–407.

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