Wann is(s)t ein Mann wie ein Mann?

- Vinzent Grimmel –

Während Männer bei Produktentscheidungen unter Zeitdruck ihren Vorlieben spontan folgen, wählen sie verstärkt typisch männliche Artikel, wenn sie die Möglichkeit haben, ihr Verhalten zu überdenken.

„Wann ist ein Mann ein Mann?“ fragt sich nicht nur Herbert Grönemeyer in seinem Lied „Männer“. Traditionell dominiert das stereotype Bild des starken Mannes, der keine Schwächen zeigt. Von diesem Stereotyp abweichendes Verhalten kann negative Reaktionen hervorrufen, was schon solche Phrasen wie „Männer weinen nicht“, „Muttersöhnchen“ oder „Weichei“ erkennen lassen. Auch für Frauen gibt es stereotype Vorstellungen, was sie tun und lassen sollten: zum Beispiel fürsorglich sein, aber nicht dominant. Dabei hat Forschung gezeigt, dass Männer im Vergleich zu Frauen stärker für stereotypes Verhalten belohnt aber gleichzeitig in einigen Situationen auch härter bestraft werden, wenn ihr Verhalten nicht den Erwartungen entspricht. Dies scheint schon im Kindesalter anzufangen – so mag ein Junge, der mit einem Puppenhaus spielt, also stereotyp feminines Verhalten zeigt, von Anderen mehr Ablehnung erfahren als ein Mädchen, das sich beispielsweise beim Fußball austobt, was eher stereotyp männlich ist. Sind Männer deswegen auch stärker bestrebt geschlechtsstereotypen Erwartungen zu entsprechen?

Die Forscher David Gal und James Wilkins untersuchten diese Fragestellung bei Produktentscheidungen, da viele Artikel Geschlechter-Assoziationen aufweisen. Runde Gegenstände werden eher weiblich wahrgenommen, eckige eher männlich. Auch beim Essen zeigt sich, dass Deftiges mit Fleisch stärker maskulin wirkt als „feminine“ Speisen wie Fisch oder Joghurtprodukte. Die Forscher vermuteten nun, dass sich die wahren Vorlieben beider Geschlechter bei „aus dem Bauch heraus“ getroffenen Entscheidungen zeigen sollten. Haben Personen jedoch die Möglichkeit, sich Gedanken über ihr Verhalten zu machen, sollten insbesondere Männer ihre Entscheidungen stärker an geschlechtsstereotypen Erwartungen ausrichten, um „ihren Mann zu stehen“.

Zur Über­prüfung dieser Annahmen mussten sich die Teilnehmenden eines Experiments zwischen stereotyp dargestellten Speisen entscheiden. Eine typisch männliche Speise wurde zum Beispiel als herzhaft beschrieben und trug den Namen „Western Salad“, während der „Nature Salad“ als typisch weibliches Pendant, mit dem Attribut köstlich beschrieben wurde. Um Unterschiede zwischen spontanen „Bauch-“ und kontrollierten Entscheidungen zu prüfen, wurde den Teilnehmenden für ihre Wahl unterschiedlich viel Bedenkzeit eingeräumt. Hierbei zeigte sich, dass Männer dann weniger „weibliche“ Speisen wählten, wenn sie ausreichend Zeit hatten, über ihre Entscheidung nachzudenken. Mussten sie sich hingegen in Sekunden­schnelle entscheiden, wurden etwa gleich viele „weibliche“ wie „männliche“ Speisen gewählt. Auf Frauen hatte die Bedenkzeit hingegen keinen Effekt. Sie zeigten nur allgemein eine leichte Präferenz für die feminin anmutenden Gerichte. Weitere Studien, bei denen sich die Teilnehmenden zwischen feminin rundlichen und maskulin eckigen Haushalts­gegenständen entscheiden mussten, zeigten ähnliche Resultate. Basierend auf diesen Ergebnissen folgerten die Forscher, dass Männer ihr Verhalten bei Alltagsentscheidungen stärker als Frauen an geschlechterstereotype Erwartungen anpassen, wenn sie die Möglichkeit haben, ihr Verhalten zu kontrollieren.  

Wann is(s)t ein Mann also wie ein Mann? Nach den Ergebnissen der vorgestellten Studie hängt dies nicht nur vom eigenen Geschmack, sondern auch von den Erwartungen der Mitmenschen ab. Um sich selbst treu zu bleiben,  gilt aber  nicht nur beim Essen: stets auf das Bauchgefühl hören. 

Gal, D., & Wilkie, J. (2010). Real men don’t eat quiche: Regulation of gender-expressive choices by men. Social Psychological and Personality Science, 1, 291–301.

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