Warum fühlen sich Frauen in der Arbeits­welt häufiger fehl am Platz als Männer?

- Mara Brunner –

Wenn der berufliche Erfolg in einem Unter­nehmen von „politischen Spielchen“ anstatt von Leistungen abhängt, dann fühlen sich Frauen häufiger fehl am Platz als Männer.

Auch heute stehen Frauen noch vor vielen Hindernissen beim Zugang zu Führungs­positionen und beim beruflichen Erfolg. Eines der Hindernisse ist, dass Eigenschaften und Verhaltensweisen, die eher Frauen zugeschrieben werden, häufig nicht zu den Strukturen in den Unter­nehmen passen.  Unter­suchungen zeigen beispielsweise, dass es für den Aufstieg in Unter­nehmen hilfreich sein kann, „politische Spielchen“ zu spielen. Damit sind Verhaltensweisen gemeint, die auf den Aufbau von Macht und Einfluss abzielen, oft auf unfaire Weise. Dieses Verhalten wird eher Männern zugeschrieben. Demgegenüber steht das Verhalten, Leistung zu zeigen, also in der Arbeits­welt durch Fähigkeiten und Kompetenzen zu überzeugen. Dieses Verhalten wird in der Regel als geschlechtsneutral wahrgenommen, oder eher Frauen zugeschrieben.

Vor diesem Hintergrund hat ein Mannheimer Forschungs­team folgende Hypothese aufgestellt: In Unter­nehmens­strukturen, in denen „politische Spielchen“ für den individuellen Erfolg im Unter­nehmen wichtig sind, fühlen sich Frauen eher fehl am Platz als Männer. Des Weiteren wurde die Hypothese aufgestellt, dass in Unter­nehmens­strukturen, die das Zeigen von Leistung fördern, dieser Unter­schied zwischen Männern und Frauen weniger stark auftritt.

Um die Hypothesen zu testen, führte das Forschungs­team zwei Studien mit identischem Design durch. Die Teilnehmenden sollten sich in die Situation eines Berufsanfängers in einem fiktiven Unter­nehmen versetzen und wurden zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt. Eine Hälfte der Teilnehmenden erhielt die Information, dass in dem Unter­nehmen „politische Spielchen“ wichtig seien. Die andere Hälfte erhielt die Information, dass in dem Unter­nehmen „Leistung zeigen“ wichtig ist. Anschließend wurden alle Teilnehmenden gefragt, ob sie sich in diesen Unter­nehmens­strukturen wohl fühlen würden oder ob sie das Gefühl hätten, fehl am Platz zu sein. Die Fragen zielten zum Beispiel darauf ab, ob sie in dem jeweiligen Unter­nehmen Zweifel an ihren eigenen Fähigkeiten oder Angst vor negativen Reaktionen anderer hätten.

In beiden Studien äußerten Frauen mehr Angst vor negativen Reaktionen, wenn die Unter­nehmens­struktur „politische Spielchen“ förderte, zudem zweifelten sie häufiger an ihren Fähigkeiten. Dagegen waren die Antworten von Männern und Frauen nahezu identisch, wenn im Unter­nehmen das Zeigen von Leistung für den Erfolg relevant war.

Diese Ergebnisse sind gesellschaft­lich relevant, da Personen, die sich in einem Unter­nehmen fehl am Platz fühlen und glauben, nicht die nötigen Fähigkeiten zu besitzen, weniger wahrscheinlich Führungs­positionen anstreben. Unter­nehmens­strukturen können den Karriereweg also stark beeinflussen. Auch wenn die Ergebnisse der Studien auf hypothetischen Szenarien beruhen und noch weiter überprüft werden müssen, könnten Unter­nehmen schon daran arbeiten, „politische Spielchen“ einzudämmen und stattdessen eine Kultur zu schaffen, in welcher jeder, unabhängig vom Geschlecht, erfolgreich sein kann.
 

Salwender, M., Schoel, C., Bless, H., & Stahlberg, D. (2023). The politics hurdle: Joint effect of organizational culture and gender on lack of fit experiences. Social Psychological and Personality Science14(1), 84–92. https://doi.org/10.1177/19485506221075898

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Michael Barthelmäs¹, Jana Berkessel

© Forschung erleben 2024, alle Rechte vorbehalten

Zurück