Warum sich Heldinnen und Helden des Alltags nicht heldenhaft fühlen

- Lara Neudert –

Menschen, die eine Heldentat vollbringen, bewerten diese meist als weniger positiv im Vergleich zu beobachtenden Personen.

 

„Kindergärtner rettet Seniorin vor einer brutalen Gewalttat“

„Frau bewahrt Teenager vorm Ertrinken“

„17-Jährige stoppt sexuellen Übergriff“

Sehen wir solche oder ähnliche Meldungen in den Medien, würden wir die beschriebenen Handlungen als Heldentaten bezeichnen. Diese lassen sich nämlich als selbstloses Verhalten definieren, das große Risiken oder Opfer für die handelnde Person mit sich bringt. Doch oftmals empfinden Heldinnen und Helden ihre Taten gar nicht als so heldenhaft und außergewöhnlich wie Außen­stehende.

Mit diesem Phänomen beschäftigte sich der französische Forscher Nadav Klein in drei Experimenten. Aufgrund bisheriger wissenschaft­licher Befunde nahm er an, dass Held*innen sich bei ihrer Tat viel mehr auf die hilfsbedürftigen Personen als auf das mit der Rettung verbundene Risiko fokussieren. Beobachtende hingegen achten besonders auf die Gefahr und das Risiko, dem sich die Handelnden aussetzen.

Um diese Annahmen zu überprüfen, wurden Teilnehmenden in einer Studie bis zu 42 Nachrichtenmeldungen über Personen gezeigt, die tatsächlich mindestens ein Leben gerettet hatten. Zusätzlich erhielten die Teilnehmenden ein Zitat der Heldin oder des Helden über die Tat (z. B. „Ich mag Kinder, deswegen hätte ich es furchtbar gefunden, wenn ihnen Leid geschehen wäre“). Die Teilnehmenden der Studie sollten dann beurteilen, inwiefern sie denken, dass die Handelnden sich selbst als mehr oder weniger heldenhaft, außergewöhnlich und bewundernswert ansehen, als sie es aufgrund ihrer Taten eigentlich sollten.

Die Ergebnisse stützten durchgehend die Annahmen des Forschers: Die Teilnehmenden gaben an, dass die Held*innen, über die sie lasen, sich anhand der vorliegenden Zitate nicht so heldenhaft/außergewöhnlich/bewundernswert einschätzten, wie sie es nach Meinung der Teilnehmenden tun sollten. In zwei weiteren Experimenten sollten die Studien­teilnehmenden entweder von eigenen oder beobachteten Heldentaten berichten oder sich Videosequenzen von lebens­rettenden Handlungen ansehen und sich dabei vorstellen, dass sie selbst die Held*innen seien. Dabei zeigten sich ähnliche Ergebnisse wie zuvor: Teilnehmende bewerteten ihre eigenen (vorgestellten) Heldentaten als weniger positiv im Vergleich zu a) Personen, die nachträglich dieselben Heldentaten bewerteten und im Vergleich zu b) Personen, bei denen sie in ihrer Vorstellung dieselben Heldentaten beobachteten.

Der Mechanismus hinter der unterschiedlichen Bewertung einer Heldentat zwischen Held*innen und Beobachtenden scheint zu sein, dass für Held*innen die Bürde möglicher Risiken und Gefahren in den Hintergrund tritt oder sogar ausgeblendet wird. Weitere Forschung könnte untersuchen, ob noch weitere Mechanismen eine Rolle spielen – dass sich Held*innen beispielsweise eher auf die maximale Zahl zu rettender Leben konzentrieren, während Beobachtende die tatsächliche Zahl der Geretteten stärker würdigen können.

 

Klein, N. (2020). Heroes Perceive Their Own Actions as Less Heroic Than Other People Do. Social Psychological and Personality Science. doi.org/10.1177/1948550619893967

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Sebastian Butz¹, Lea Nahon

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