Warum verbreiten manche Leute Fake News, auch wenn sie diese selbst nicht glauben?

- Lea Kahlert –

Die wiederholte Darbietung einer Schlagzeile, die eindeutig Fake News ist, kann dazu führen, dass die Verbreitung dieser Schlagzeile für weniger unmoralisch gehalten wird.

Im Mai begann der Kurznachrichtendienst Twitter mit der Kennzeichnung von Tweets als „Fake News“ – also Falschnachrichten. Dies soll die oftmals rasante Verbreitung von nachweislich unwahren Nachrichten eindämmen. Aber warum verbreiten manche Leute Fake News sogar dann, wenn sie diese selbst nicht glauben?

Die Forschenden Daniel A. Effron und Medha Raj vermuteten, dass die wiederholte Darbietung von Fake News dazu führt, dass deren Verbreitung für weniger unmoralisch gehalten wird – selbst wenn man weiß, dass es sich um Fake News handelt. Die Forschenden erklären diesen Zusammenhang wie folgt: Die Verarbeitung bereits bekannter Informationen fällt häufig leichter als die Verarbeitung neuer Informationen. Informationen, die sich leicht verarbeiten lassen, weil man ihnen beispielsweise wiederholt begegnet ist, werden eher als intuitiv wahr empfunden – unabhängig davon, ob sie richtig oder falsch sind. Wenn sich Informationen intuitiv wahr anfühlen, sollte man es weniger unmoralisch finden, diese zu verbreiten.

Um ihre Vermutung zu überprüfen, gingen die Forschenden folgendermaßen vor: Sie wählten politische Schlagzeilen aus, die von Fakten-Checker*innen eindeutig als falsch entlarvt worden waren. Einen Teil davon zeigten sie den Teilnehmenden ihrer Studien gleich zu Beginn und stellten ihnen Fragen dazu (zum Beispiel, wie interessant sie eine Schlagzeile fanden). Die Fragen dienten als Vorwand für die Darbietung der Schlagzeilen. Nach einer kurzen Pause bekamen die Teilnehmenden dann alle Schlagzeilen gezeigt, also sowohl die, die sie bereits zu Beginn der Studie gesehen hatten, als auch die, die sie bisher noch nicht gesehen hatten. Die Schlagzeilen wurden explizit als Fake News bezeichnet. Nun sollten die Teilnehmenden beispielsweise einschätzen, wie unmoralisch sie die Veröffentlichung der Schlagzeilen fanden und wie hoch die Wahrscheinlichkeit sei, dass sie diese in sozialen Netzwerken befürworten und teilen würden.

Die Ergebnisse bestätigten die Vermutung der Forschenden: Die Teilnehmenden schätzten die Veröffentlichung der Schlagzeilen als weniger unmoralisch ein, wenn sie diese zu Beginn der Studie bereits gesehen hatten. Es spielte dabei keine Rolle, ob sie eine Schlagzeile zuvor mehrmals oder nur einmal präsentiert bekommen hatten. Außerdem gaben die Teilnehmenden an, dass sie die zuvor gesehenen Schlagzeilen in sozialen Netzwerken eher befürworten und teilen würden als die neuen Schlagzeilen. Die Ergebnisse waren unabhängig davon, wie sehr die Teilnehmenden eine Schlagzeile mochten, wie weit verbreitet eine Schlagzeile ihrer Meinung nach war oder ob die Schlagzeilen explizit als Fake News bezeichnet wurden oder nicht.

Die Ergebnisse geben eine mögliche Erklärung dafür, warum manche Leute Fake News auch dann verbreiten, wenn sie diese selbst nicht glauben: Eine einzige wiederholte Darbietung einer falschen Schlagzeile reicht aus, damit ihre Verbreitung als weniger unmoralisch empfunden wird. Um die Verbreitung von Fake News effektiv einzudämmen, wäre es daher besser, wenn Plattformen wie Twitter diese löschen würden, anstatt sie nur als Fake News zu kennzeichnen. Allerdings würde dies das Recht auf Meinungs­freiheit einschränken. Weitere Studien sollten deshalb untersuchen, warum durch die wiederholte Darbietung von Fake News deren Verbreitung als weniger unmoralisch empfunden wird und somit Ansatzpunkte für neue Maßnahmen liefern.

 

Effron, D. A., & Raj, M. (2020). Mis­information and morality: Enco­untering fake-news headlines makes them seem less unethical to publish and share. Psychological Science, 31(1), 75–87. https://doi.org/10.1177/0956797619887896

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Jennifer Eck¹, Mona Salwender

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