Was wäre wenn...

- Nora Frey –

Wie sehr man eine aktuelle Liebesbeziehung fortführen möchte, kann von der Reue abhängen, die man für verpasste alternative Beziehungen empfindet.

Julia ist seit gut einem Jahr mit Tom zusammen. Eigentlich sind die beiden ein glückliches Paar. Julia kann jedoch nicht aufhören darüber nachzudenken, wie ihr Leben aussehen würde, hätte sie sich damals nicht für Tom, sondern doch für Stefan entschieden. Will sie in ihrer jetzigen Beziehung bleiben, obwohl sie in der Beziehung mit Stefan vielleicht noch glücklicher geworden wäre? 

Frühere Forschung hat gezeigt, dass aktuelle Alternativen zum jetzigen Partner oder zur jetzigen Partnerin das „Commitment“ für die aktuelle Beziehung – also das Bemühen um die Beziehung und den Wunsch, diese aufrechtzuerhalten – beeinflussen. Aber wie sieht es mit verpassten Möglichkeiten aus, die man vor oder zu Beginn der aktuellen Beziehung hatte?

Ein Forschungs­team um John V. Petrocelli ging davon aus, dass diese sogar einen besonderen Einfluss auf das Commitment für die Beziehung haben könnten. Die Vorstellung von Beziehungen zu früheren Alternativen kann besonders beständig sein und langfristig als Vergleich zur jetzigen Beziehung dienen. Die Forschenden nahmen insbesondere dann eine negative Aus­wirkung auf das Commitment an, wenn eine Beziehung mit einer anderen Person damals für realistisch gehalten wurde und angenommen wird, dass man heute mit dieser Person glücklicher sein könnte. Denkt man hingegen, dass man mit einer attraktiven Alternative nie hätte zusammenkommen können, oder schätzt die alternative Beziehung als weniger positiv ein, sollte man weniger Reue empfinden und das Commitment für die aktuelle Beziehung sollte folglich nicht dar­unter leiden. 

Im Rahmen einer Untersuchung des Teams um Petrocelli sollten sich alle Teilnehmenden an eine Person erinnern, mit der sie anstelle ihres oder ihrer jetzigen PartnerIn eine Beziehung hätten eingehen können. Einige Teilnehmende wurden gebeten je zwei Gründe aufzuschreiben, warum die Möglichkeit bestünde, mit der vorgestellten Person zusammen zu sein und warum diese Beziehung glücklich sein könnte. Die anderen Teilnehmenden sollten hingegen notieren, warum eine Beziehung mit dieser Person unwahrscheinlich sei und warum sie in der alternativen Beziehung weniger zufrieden wären. Anschließend wurden die Teilnehmenden gefragt, wie sehr sie bereuen, nicht den anderen Partner oder die andere Partnerin gewählt zu haben und wie viel Commitment sie für ihre aktuelle Beziehung empfinden.

Die Ergebnisse sprechen für die Annahmen der Forschenden. Wurde durch die Auflistung der Gründe ein positives Bild der verpassten Alternative gezeichnet, bereuten die Teilnehmenden ihre Entscheidung mehr und berichteten folglich weniger Commitment als Teilnehmende, bei denen eine negative Vorstellung erzeugt worden war. Diese Ergebnisse zeigten sich insbesondere bei Personen, die angaben, bislang relativ wenig in ihre aktuelle Beziehung investiert zu haben.

Diese Untersuchung weist auf eine vielleicht vernachlässigte Ursache für Un­zufriedenheit in Partnerschaften hin: Der Vergleich der aktuellen Beziehung mit versagten Möglichkeiten in der Vergangenheit. Vielleicht hilft es auch Julia, ihre empfundene Reue zu hinterfragen und  sich klar zu machen, dass vergangene Alternativen mit der Zeit oftmals zunehmend idealisiert werden – die Realität aber ganz anders aussehen könnte. 

Petrocelli, J. V., Kammrath, L. K., Brinton, J. E., Uy, M. R. Y., & Cowens, D. F. (2015). Holding on to what might have been may loosen (or tighten) the ties that bind us: A co­unterfactual potency analysis of previous dating alternatives. Journal of Experimental Social Psychology, 56, 50–59.

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Janin Rössel, Mariela Jaffé

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