Wenn der Schiri Rot sieht...

- Susanne Pauls –

Kampfrichter bewerten rot gekleidete Sportler besser.

Rot ist die Liebe. Rot ist die Fahne der Revolution. Ein Mann sieht rot und schlägt zu. Die Farbe Rot steht in der deutschen Sprache oft als Sinnbild für Intensität, für Aggressivität. Aber lassen wir uns durch diesen Bedeutungs­gehalt der Farbe Rot auch in unserer Wahrnehmung einer realen Situation beeinflussen?


Die Psychologen Norbert Hagemann, Bernd Strauss und Jan Ließing haben sich die Frage gestellt, ob sich das Tragen roter Trikots im Kampfsport auf den Erfolg des Kämpfers auswirkt. Diese Frage ist nicht neu. Und auch die möglichen Antworten darauf sind es nicht. Wissenschaft­liche Untersuchungen führten bislang zu dem Ergebnis, dass Wettkämpfer, die rote Trikots tragen, statistisch gesehen besser abschneiden als ihre Kontrahenten. Diese positive Wirkung der Farbe Rot wurde unterschiedlich erklärt. So wurde beispielsweise vermutet, dass die Träger roter Trikots sich von der Farbe anregen lassen und deshalb erfolgreicher kämpfen als ihre Gegner. Andere Wissenschaft­ler sahen es als erwiesen an, dass sich die Gegner vom Rot ihrer Kontrahenten einschüchtern lassen und deshalb in der sportlichen Auseinandersetzung den Kürzeren ziehen. Hagemann, Strauss und Ließing bezweifeln beides. Sie gehen stattdessen davon aus, dass sich nicht die Kämpfer selbst, sondern die Kampfrichter von der Farbe beeinflussen lassen und die rotgewandeten Sportler dadurch besser bewerten – und das bei tatsächlich gleicher Leistung der Gegner.

Um ihre Vermutung zu beweisen, führten sie 42 Kampfrichtern Video-Ausschnitte von Taekwondo-Kämpfen vor, in denen gleichstarke Sportler gegeneinander antraten. Jeweils einer der Kämpfer trug Rot, der andere Blau. In einem zweiten Durchgang wurden dieselben Ausschnitte noch einmal gezeigt – nur trugen die Kämpfer, die im ersten Block in Blau angetreten waren, infolge einer digitalen Bildbearbeitung jetzt Rot und umgekehrt. Zudem wurden die Clips in anderer Reihenfolge gezeigt.

Das Ergebnis dieses psychologischen Experiments belegte eindrücklich die Vermutung der Wissenschaft­ler: Es zeigte sich, dass die Kampfrichter die Sportler in der Regel besser beurteilten, wenn diese Rot trugen. Auch wenn die rote Farbe sich also unmittelbar stimulierend oder einschüchternd auf die Kämpfer auswirken mag, scheint das bessere Abschneiden der „Roten“ vor allem eine Folge der Wirkung der roten Farbe auf die Kampfrichter zu sein. Scheinbar verknüpfen diese unwillkürlich Aggressivität mit den roten Trikots – und beurteilen dadurch das Kampf­verhalten der rot gekleideten Sportler als aggressiver und damit als überlegen. Die Forscher vermuten, dass dieser Effekt  besonders dann ins Gewicht fällt, wenn die Gegner gleich stark sind. Das Rot gibt dann den Ausschlag zur besseren Bewertung durch die Unparteiischen.

Für die Kampfsport-Praxis sollte diese Er­kenntnis nach Ansicht der Autoren Konsequenzen haben: Um Un­gerechtigkeiten in der Beurteilung der sportlichen Leistung von Kampfsportlern vorzubeugen, empfehlen sie, das Tragen roter Trikots zu untersagen.

Hagemann, N., Strauss, W., und Ließing, J. (2008): When the referee sees red … Psychological Science, 19,8, 769–771.

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