Wenn die Augen machen, was sie wollen

- Esther Glück –

Für die Tatsache, dass wir andere Leute manchmal geradezu anstarren, haben manche Forscher eine evolutionäre Begründung.

“Typisch”, flüsterte meine Freundin im Super­markt, als ich  mit meinem Blick an dem gut aussehenden Typen hängen blieb, der gerade das Gemüseregal durchforstete. „Was denn?“, fragte ich zurück. „Du kannst deine Augen mal wieder nicht von dem Typen lassen. Ein psychologisches Phänomen. Aufmerksamkeits­adhäsion“, entgegnete sie, „Wenn die Augen einfach an jemandem kleben bleiben.“

AHA! Und was für ein Mechanismus steckt dahinter? Das passiert ja auch nicht nur, wenn wir attraktiven Exemplaren des anderen Geschlechts begegnen, sondern wir mustern auch Personen, die nicht in unser Beuteschema fallen. Dazu forschten Jon Maner und Kollegen, indem sie testeten, welche Motive hinter der „Aufmerksamkeits­adhäsion“, wie der Wunsch nach einem Partner oder das Schützen des Partners vor Nebenbuhlern, stecken könnten. Diese Motive sollten aus evolutionärer Sicht zu einer erhöhten Aufmerksamkeit auf Personen mit bestimmten Merkmalen (zum Beispiel attraktiven Personen) führen. Denn die Evolutions­theorie besagt, dass die Personen, die am besten an bestimmte Probleme angepasst sind, sich am ehesten fortpflanzen können und somit diese Anpassungs­mechanismen über Generationen hinweg genetisch weiter gegeben werden. Ein solches Anpassungs­problem kann zum Beispiel sein, dass der Mann sich nie sicher sein kann, dass seine Frau auch wirklich sein Kind austrägt. Damit könnte man die Eifersucht erklären, die ein Mann empfindet, wenn seine Partnerin mit einem attraktiven Mann redet. Denn Männer, die eifersüchtig sind, entwickeln Taktiken um Frauen am Fremdgehen zu hindern und haben somit eine höhere Chance ihre Gene weiter zu geben. Eifersucht scheint daher teilweise genetisch bedingt zu sein, da sie Mechanismen auslöst, die dem Mann helfen, seine Gene weiterzuvererben und Nebenbuhler zu erkennen und zu vertreiben. Somit könnten die sozialen Motive, die zu Aufmerksamkeits­adhäsion führen, genetisch weitergegeben werden.

In einer Studie von Maners Forscher­gruppe wurden die Versuchspersonen durch subtile Methoden dazu gebracht, an das Motiv der Partnerwahl zu denken, ohne dass ihnen dies bewusst war. Dazu mussten die Versuchspersonen ein Worträtsel lösen, in dem Wörter eingebaut waren, die Hinweise auf das Motiv der Partnerwahl enthielten z.B.:„develop exposed won’t erotic film“ In einer anderen Gruppe, die man mit der ersten Gruppe vergleichen wollte, wurden folgende Wörter benutzt: „develop exposed won’t exciting film“.

Anschließend wurden den Teilnehmern abwechselnd Fotos von attraktiven und unattraktiven Personen beiderlei Geschlechts und verschiedene Objekte (Kreise und Quadrate) am Computer­bildschirm gezeigt. Die Versuchspersonen wurden instruiert, nicht auf die Fotos zu achten, sondern nur die Objekte durch Drücken einer Taste als Kreis oder Quadrat zu identifizieren.

Es zeigte sich, dass Teilnehmer, die unbewusst an das Motiv der Partnerwahl dachten, bei Fotos von attraktiven Personen des jeweils anderen Geschlechts länger für diese Aufgabe brauchten als Personen in der Vergleichs­gruppe, da sie den Blick langsamer von dem Foto mit dem attraktiven potenziellen Sexual­partner lösen konnten.

Dieses langsamere Abwenden von attraktiven Personen des anderen Geschlechts fand sich dabei insbesondere bei Personen, die ein hohes Interesse an Kurzzeitbeziehungen haben und z.B. One-Night-Stands nicht ablehnen. Maner und seine Kollegen gehen davon aus, dass Personen mit Interesse an kurzzeitigen Beziehungen besonders auf die physische Attraktivität des Gegenübers achten und deshalb auch schlechter ihren Blick von potenziellen attraktiven Geschlechts­partnern abwenden können. Personen, die eher an Langzeitbeziehungen interessiert sind, zeigten den Effekt der Aufmerksamkeits­adhäsion bei Fotos von attraktiven Personen hingegen nicht.

Das zweite Motiv, das Schützen des eigenen Partners vor anderen Wettbewerbern, wurde in einer weiteren Studie untersucht. Hier wurden die Versuchspersonen dazu aufgefordert, an ihren derzeitigen oder einen früheren Lebens­partner zu denken. Dann sollten sie sich vorstellen, dass diese Person mit einer anderen Person intim wird oder flirtet. Danach sollten die Versuchspersonen wiederum Kreise und Quadrate kategorisieren, während sie gleichzeitig Fotos gezeigt bekamen. Personen mit Interesse an Kurzzeitbeziehungen ließen sich wiederum durch die Fotos attraktiver Personen ablenken und brauchten länger, um Kreise und Quadrate, die nach solchen Fotos eingeblendet wurden, zu klassifizieren. Interessanterweise traten diese längeren Reaktions­zeiten diesmal jedoch bei Fotos attraktiver gleichgeschlechtlicher Personen auf – also bei potenziell gefährlichen Nebenbuhlern.

In den Studien zeigte sich demnach Aufmerksamkeits­adhäsion nicht nur bei Adonisexemplaren von möglichen Sexual­partnern, sondern auch, wenn Personen die Gefahr sahen, dass Rivalen die Beziehung mit ihrem Partner gefährden könnten. Diese Studien machen aber auch deutlich, dass es trotzdem individuelle Unterschiede bei der Aufmerksamkeits­adhäsion geben kann, selbst, wenn die Forscher annehmen, dass die Motivation für das Verhalten durch Anpassungs­probleme in der Evolutions­geschichte entstand und somit genetisch verankert ist. Man ist also nicht das Opfer seiner Gene, sondern manche haben ihre Augen besser im Griff als andere! Der Typ am Gemüseregal hatte jedenfalls leider nur Aufmerksamkeit für das Gemüse übrig.

Maner, Gailliot, Rouby & Miller (2007). Can’t take my eyes off you: Attentional Adhesion to Mates and Rivals. Journal of Personality and Social Psychology, 93 (3), 389–401.

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