Wer Geld hat, braucht keine Freunde?

- Ulrike Rangel –

Wer an Geld denkt, neigt zu asozialem Verhalten.

Stellen Sie sich vor, Sie kämen unerwartet – durch einen Lotteriegewinn, einen reichen, aber bis dato unbekannten Erbonkel – zu sehr viel Geld. Wie würde dies Ihr Leben ändern? Würde der plötzliche Reichtum Sie und Ihr Verhalten Ihren Mitmenschen gegenüber beeinflussen? Und, nachdem Sie nun einen Moment über diese angenehme Vorstellung nachgedacht haben – was denken Sie: Könnte auch allein der Gedanke an Geld Ihr Verhalten verändern?

Dieser Frage gingen Kathleen Vohs, Nicole Mead und Miranda Goode in einer Reihe von Studien nach, die kürzlich in der renommierten Fach­zeitschrift Science veröffentlicht wurden. Die Forscherinnen brachten jeweils eine Gruppe von Studien­teilnehmern dazu, unbewusst an Geld zu denken – zum Beispiel, indem ein Stapel Spielgeld im Blickfeld der Teilnehmer platz­iert wurde. Eine zweite Teilnehmer­gruppe war diesen subtilen Hinweisreizen nicht ausgesetzt. Anschließend beobachteten sie das Verhalten der Probanden in sozialen Situationen.

Die Ergebnisse dieser Studien lassen darauf schließen, dass sich Personen, die an Geld denken, weniger hilfsbereit verhalten: Sie verwendeten zum Beispiel nur halb so viel Zeit darauf, einem Kommilitonen eine Aufgabe zu erklären oder spendeten einen geringeren Prozentsatz ihres Teilnahmehonorars für gemeinnützige Zwecke. Gleichzeitig sank jedoch auch die Bereitschaft, selbst Hilfe von Anderen anzunehmen: Personen, die unbewusst an Geld dachten, arbeiteten beispielsweise deutlich länger allein an schwierigen Denksportaufgaben, bevor sie einen Kommilitonen um Hilfe baten – obwohl dies ausdrücklich erlaubt war.

Worauf lassen sich diese Verhaltensänderungen zurückführen? Die Forscherinnen vermuten, dass Geld in unserer Vorstellung mit einem Gefühl der Unabhängigkeit verknüpft ist: Wer Geld besitzt, kann meist seine persönlichen Ziele verwirklichen – auch ohne die Hilfe von Anderen. Personen, bei denen das Konzept „Geld“ unbewusst aktiviert wurde, sollten in ihrem Verhalten also nach Unabhängigkeit streben. Dies könnte sowohl die geringere Bereitschaft, Anderen zu helfen, als auch selbst Hilfe anzunehmen, erklären.

Vor allem jedoch sollte sich der Wunsch nach Unabhängigkeit in einem geringeren Bedürfnis nach Gesellschaft widerspiegeln. Dieser Hypothese gingen die Forscherinnen in weiteren Studien nach. Hier sollten die Teilnehmer beispielsweise Freizeitaktivitäten auswählen, die sie gerne unternehmen würden. Personen, die an Geld dachten, wählten häufiger Aktivitäten, welche die Gesellschaft von anderen Personen ausschlossen (z.B. individuelle Kochstunden statt eines Abendessens zu viert) – sie zogen es also tatsächlich vor, für sich zu sein.

Insgesamt deuten die Ergebnisse von Vohs und Kolleginnen darauf hin, dass allein der Gedanke an Geld unser Verhalten bedeutsam beeinflussen kann: Wer Geld im Kopf hat, meidet seine Mitmenschen eher. Zahlreiche Studien über den Einfluss von sozialen Kontakten auf das Wohlbefinden zeigen jedoch, dass die Tendenz, sich von anderen Personen abzugrenzen, negative Folgen haben kann: Wer viele Freunde hat und sozialen Aktivitäten nachgeht, ist im Schnitt zufriedener mit seinem Leben. Es scheint, dass Geld, beziehungs­weise der Gedanke daran, wirklich nicht glücklich macht.

Anstatt über Lotteriegewinne nachzugrübeln, sollten Sie also lieber einen entspannten Abend mit Ihren Freunden genießen. Vielleicht ist es für Ihre Freundschaften gut, wenn Ihre Lottozahlen nicht gezogen werden.

Vohs, K. D., Mead, N. L., & Goode, M. R. (2006). The psychological consequences of money. Science 314, 1154-1156.

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