Wer hat Angst vorm Bösen Blick?

- Katharina Zimmer –

Die Furcht davor, beneidet zu werden, kann dazu führen, dass wir uns hilfsbereiter verhalten.

Die Furcht vor dem Bösen Blick – davor, dass andere einem aus Neid Böses wünschen –  gehört zu den ältesten und weltweit am weitesten verbreiteten Aberglauben. Die vielen Kulturen, in denen sie zu finden ist, haben verschiedene Mittel hervorgebracht, die den Bösen Blick abwenden sollen, z.B. Abwehrgesten, Schutz­verse und Amulette, wie das Blaue Auge, das viele aus dem Türkeiurlaub kennen. Mögen diese Mittel auch sonderbar anmuten, so steckt hinter ihrem Gebrauch doch eine reelle und nicht unbegründete Furcht davor, dass andere, die neidisch auf uns sind, uns Schaden zufügen könnten.

Eine Reihe von Experimenten des Forschungs­teams um Niels van de Ven zeigt nun, dass wir offenbar auch andere, ganz un-magische Mittel einsetzen, um mögliche negative Folgen von Neid abzuwenden.

Van de Ven und Kollegen vermuten, dass wir uns gegenüber Personen, deren Neid wir fürchten, hilfsbereiter verhalten. Um diese Annahme zu testen, ließen die Forscher ihre Versuchspersonen Aufgaben an Computern bearbeiten, wobei diese glaubten, dass sie die Aufgaben gleichzeitig mit einem anderen Teilnehmenden im Raum, ihren „Partner“, bearbeiten würden. Nachdem sie zunächst eine Reihe von Multiple-Choice-Fragen bearbeitet hatten, wurde ihnen ihr dabei erzielter Punktestand mitgeteilt und sie wurden informiert, dass ihr Partner um einen Punkt besser abgeschnitten habe. Dann wurde der Hälfte der Versuchspersonen angekündigt, dass sie für die nächste Aufgabe zusätzlich 5 Dollar erhalten würden, ihr Partner jedoch nicht. Damit hatten sie ihrem Partner gegenüber einen unverdienten Vorteil, weshalb dieser einen Grund hatte, neidisch auf sie zu sein.  Die andere Hälfte der Teilnehmenden wurde informiert, dass auch ihr Partner die zusätzliche Belohnung bekommen würde. Als die Versuchspersonen nach Bearbeitung der Aufgaben den Raum verließen, stand gleichzeitig eine andere Person auf.  Aus Sicht der Teilnehmenden handelte es sich dabei um ihren Partner. Tatsächlich war es jedoch ein Verbündeter des Versuchsleiters, der im Vorbeigehen einen Stapel Radiergummis umstieß.  Es zeigte sich, dass Versuchspersonen, die fürchteten, ihr Partner könnte neidisch sein, sich hilfsbereiter verhielten und  deutlich öfter dabei halfen, die Radiergummis aufzusammeln.

In weiteren Experimenten fand das Forschungs­team um van de Ven, dass  die Teilnehmenden nur dann zusätzliches Hilfs­verhalten zeigten, wenn sie eine missgünstige, böswillige Form des Neids erwarteten – nämlich dann, wenn ihr Vorteil unverdient war.  Waren sie jedoch der Ansicht, sie hätten ihn verdient (weil sie besser als ihr Partner abgeschnitten hatten), erwarteten sie eher eine bewundernde Art von Neid, die sie weniger fürchteten.

Die Furcht vor Neid erleichtert laut van de Ven und Kollegen unser soziales Zusammenleben: Das Hilfe­verhalten, das sie auslöst, verbessert die Situation der benachteiligten Personen und kann gleichzeitig mögliche destruktive Folgen ihres Neids dämpfen.

Wir könnten in Zukunft also eigentlich auf den Schutz des Blauen Auges verzichten.  Aber sicher ist sicher, oder?

Van de Ven, N., Zeelenberg, M., & Pieters, R. (2010). Warding off the evil eye. When the fear of being envied increases prosocial behavior. Psychological Science.

© Forschung erleben 2011, alle Rechte vorbehalten

Zurück