Wer viel hat der gibt nicht gern?

- Dennis Uhrig –

Ein wirksamer Spendenaufruf muss zum Selbstkonzept der angesprochenen Person passen.

Im internationalen Vergleich zwischen Nationen gibt es erhebliche Unterschiede in der Spendenbereitschaft. Auch innerhalb einer Gesellschaft ist das Spenden­verhalten oft unterschiedlich. Wer von uns gibt viel, und wer gibt eher wenig? In der Forschung besteht bisher Uneinigkeit darüber, ob die finanz­ielle Situation einer Person darüber entscheidet, ob gespendet wird oder nicht. So gibt es Hinweise darauf, dass finanz­iell besser gestellte Personen auch mehr spenden. Andere Forschung unterstützt hingegen die Aussage „Wer viel hat, der gibt nicht gern“.

Ein Forschungs­team um Ashley Whillans vertritt nun die Ansicht, dass die Spendenbereitschaft nicht in erster Linie durch die finanz­ielle Situation einer Person bestimmt wird. Vielmehr gehen die Forschenden davon aus, dass unterschiedliche finanz­ielle Situationen und gesellschaft­liche Stellungen mit unterschiedlichen Selbstkonzepten, also der Wahrnehmung der eigenen Person, einhergehen. So scheinen finanz­iell schwächere Personen eher ein Selbstkonzept zu haben, welches gemeinschaft­liche Werte und soziale Unterstützung im Vordergrund sieht. Im Gegensatz dazu wird das Selbstkonzept wohlhabender Personen eher durch die Verfolgung persönlicher Ziele geprägt. Da Menschen im Allgemeinen motiviert sind, im Einklang mit ihrem Selbstkonzept zu handeln, sollte ein Spendenaufruf erfolgreicher sein, wenn er zum eigenen Selbstkonzept passt. Spendenaufrufe an finanz­iell schwächer gestellte Personen sollten demnach erfolgreicher sein, wenn sie gemeinschaft­liche Ziele betonen („Lasst uns gemeinsam Leben retten“), Spendenaufrufe an wohlhabende Personen sollten mehr Wirkung zeigen, wenn sie persönliche, auf eine einzelne Person abgestimmte Ziele betonen („Du als Lebens­retter“).

Um diese Annahmen zu testen, machten die Teilnehmenden Angaben zu ihrem  Einkommen und Vermögen. Daraufhin wurde ihnen ein Umschlag mit Geld (10 $) überreicht, welcher mit der Aufschrift „Für dich“ beschriftet war. Den Teilnehmenden wurde dann ein Spendenaufruf einer Spenden­gesellschaft gezeigt, welcher entweder gemeinschaft­lich („gemeinsam Leben retten“) oder individuell („Du als Lebens­retter“) formuliert war. Am Ende der Studie konnten die Personen frei entscheiden, ob sie das Geld behalten oder einen Teil davon für wohltätige Zwecke spenden wollten.

Etwas mehr als die Hälfte der Teilnehmenden entschloss sich dazu, einen Teil des Geldes zu spenden. Wie von den Forschenden erwartet, zeigte sich, dass Menschen mit einem vergleichsweisen geringen Einkommen mehr Geld spendeten, wenn ihnen der Spendenaufruf gezeigt wurde, der auf gemeinschaft­liche Ziele abgestimmt war. Bei finanz­iell besser gestellten Personen führten persönliche Aufrufe zu einer höheren Spendenbereitschaft.

Mit diesen Ergebnissen konnten die Forschenden zeigen, dass die finanz­ielle Situation allein nicht darüber entscheidet, ob Personen spenden oder nicht. Erst durch eine Passung zwischen dem Spendenaufruf und dem Selbstkonzept einer Person erhöht sich die Spendenbereitschaft. Auf diese Passung sollte daher bei Spendenaufrufen, sowie potentiellen weiteren gemeinnützigen Handlungen wie der Blutspende oder dem Aufruf zu mehr ehrenamtlichem Engagement geachtet werden.  Die Aussage „Wer viel hat, der gibt nicht gern“ kann laut dieser Forschungs­arbeit in dieser Weise also nicht unterschrieben werden – es kommt darauf an, die Nachricht richtig zu verpacken.

Whillans, A. V., Caruso, E. M., & Dunn, E. W. (2017). Both selfishness and selflessness start with the self: How wealth shapes responses to charitable appeals. Journal of Experimental Social Psychology, 70, 242–250. dx.doi.org/10.1016/j.jesp.2016.11.009

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Selma Rudert*, Sebastian Butz

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