Wie Amor unseren Blick vernebelt

- Marius Huber –

Mit der Aussicht auf ein attraktives Date lassen sich Singles durch attraktive Andere nicht mehr so stark ablenken.

„Sex sells“- das ist bekannt und es leuchtet ein, dass besonders attraktive Menschen unsere Aufmerksamkeit im Allgemeinen etwas leichter auf sich ziehen als weniger attraktive Menschen. Wie aber nehmen wir attraktive Menschen wahr, wenn wir uns bereits für einen bestimmten Menschen entschieden haben? Die Theorie: Solange wir kein spezifisches romantisches Interesse an einer Person haben, ist unsere Aufmerksamkeit für attraktive Menschen des anderen Geschlechts besonders hoch. Man könnte also sagen, wir befinden uns noch „auf der Jagd“. Gehen wir nun aber eine feste Bindung ein, lässt unser Interesse an attraktiven Personen nach und einige würden sogar behaupten, nur noch Augen für ihren Liebling zu haben. Doch lassen sich Personen, die bereits eine Liebschaft haben, tatsächlich weniger stark durch attraktive Menschen des anderen Geschlechts ablenken?

Um in einer Studie zu erfassen, wie stark sich Menschen durch attraktive Personen des anderen Geschlechts ablenken lassen, ließen die Jenaer Sozialpsychologen Nicolas Koranyi und Klaus Rothermund ihre Studien­teilnehmenden eine Reaktions­zeitaufgabe absolvieren. Zuerst wurden den Teilnehmenden Bilder von unterschiedlich attraktiven Menschen des anderen Geschlechts dargeboten. Nach jedem Bild war eine Aufgabe zu lösen: Schnellstmögliches Kategorisieren der Form eines visuell dargebotenen Objekts per Tastaturklick – Quadrat oder Kreis? Gemessen wurde die benötigte Zeit für die Aufgabe. Mehr Zeit bedeutete also eine höhere Ablenkung durch die unmittelbar zuvor dargebotenen Bilder. Alle Teilnehmenden waren heterosexuelle Singles und so verwundert das Ergebnis dieser Vor­untersuchung zunächst nicht: Die Ablenkung war umso größer, je attraktiver die verwendeten Fotos von Personen des jeweils anderen Geschlechts waren. Doch bleibt diese Ablenkung noch bestehen, wenn die Teilnehmenden ein Date mit jemandem, den sie toll finden, in Aussicht haben? Um dies zu beantworten wurde denjenigen Teilnehmenden, die sich im Zuge der Studie auf einer Dating-Plattform erfolgreich verabreden konnten, dieselbe Reaktions­zeitaufgabe noch einmal gestellt. Tatsächlich ergab sich, dass sich die Teilnehmenden dieses Mal durch besonders attraktive Bilder nicht stärker ablenken ließen als durch durchschnittlich attraktive Bilder. Was unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, variiert also stark: Singles befinden sich in einer Lage, in der sie besonders offen und empfänglich für attraktive Hinweisreize des anderen Geschlechts sind. Sobald das eigene Interesse jedoch auf Gegenseitigkeit stößt, lässt man sich von attraktiven Anderen nicht mehr ablenken. Dann hat Amor also unseren Blick vernebelt.

Koranyi, N., & Rothermund, K. (2012). When the grass on the other side of the fence doesn't matter: Reciprocal romantic interest neutralizes attentional bias towards attractive alternatives. Journal of Experimental Social Psychology,48(1), 186–191.

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