Wie eine Waffe die Wahrnehmung verzerrt

- Marit Eidt –

Sehen wir einen gefährlichen Gegenstand in einer Männerhand, erwarten wir, dass der Mann relativ groß und stark ist.

Sieht man Tom Cruise in seinen Actionfilmen, wie beispielsweise „Mission Impossible“, so erscheint er stets als muskulöser Held, der stark und mutig die Welt rettet. Umso überraschender ist sein Erscheinungs­bild auf den Filmpremieren: Der gerade einmal ca.1,70m große Tom Cruise wirkt neben seinen Schauspielkollegen oder Ex-Ehefrauen Katie Holmes und Nicole Kidman auffällig klein. Doch warum fällt uns das nicht auch im Film auf?!

Eine Antwort kommt von den Forschern Daniel Fessler, Colin Holbrook und Jeffrey Snyder. Sie gingen von der Beobachtung aus, dass in der Tierwelt, wie auch beim Menschen, Körpergröße und Stärke Gefahr signalisieren können. Das Forschungs­team nahm nun an, dass dieser Zusammenhang auch in die entgegengesetzte Richtung wirkt. Bedrohlich erscheinende Personen sollten dementsprechend größer und stärker wahrgenommen werden als Personen, von denen keine Gefahr ausgeht.

Um ihre Annahme zu überprüfen, untersuchte das Forschungs­team, wie sich gefährliche Gegenstände auf die Personenwahrnehmung auswirken. Den Teilnehmenden einer ersten Studie wurden nacheinander Fotos von vier Männerhänden gezeigt, die entweder eine Pistole oder einen Haushalts­gegenstand (eine Bohrmaschine, eine kleine Handsäge oder eine Silikonspritze) hielten. Es wurde darauf geachtet, dass die gezeigten Hände sich möglichst nicht in ihrer Größe oder anderen Merkmalen unterschieden, die einen Hinweis auf die Körpergröße der zugehörigen Person hätten liefern können. Die Teilnehmenden wurden gebeten, anhand dieser Bilder die Größe der Männer zu schätzen. Tatsächlich führten die Bilder mit der Pistole in der Hand zu den höchsten Einschätzungen der Körpergröße. In weiteren Studien zeigte sich dieser Effekt auch für andere als relativ gefährlich wahrgenommene Gegenstände wie eine große Handsäge oder ein Küchenmesser: Lag ein mutmaßlich gefährliches Objekt in der Hand – im Vergleich zu harmlosen Gegenständen, wurden größere und muskulösere Männer hinter den Bildern vermutet.

Auch wenn in diesen Studien nur Hände gezeigt wurden, könnte dieser „Waffen“-Effekt auch die Wahrnehmung ganzer Personen beeinflussen. Für Tom Cruise scheint er zumindest wirksam zu sein. Und vielleicht hat auch der Zauberstab in Harry Potters Händen dem ca. 1,65m großen Schauspieler Daniel Radcliffe ein paar Zentimeter hinzu gezaubert.

Fessler, D., Holbrook, C., & Snyder J. (2012). Weapons make the man (larger): Formidability is represented as size and strength in humans. PLOS ONE, 7(4), 1–9.

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