Wie Süßes selbstlos werden lässt

- Bianca von Wurzbach –

Unsere Hilfsbereitschaft wird durch körperliche Energie beeinflusst.

Sie hören die Geschichte einer jungen Frau. Ihre Eltern wurden gerade umgebracht. Dadurch bleibt sie allein mit der Aufgabe zurück, ihre kleinen Geschwister großzuziehen. Dies bedeutet, dass sie ihre universitäre Ausbildung abbrechen muss, falls sie niemanden findet, der sie durch Betreuung der Kinder unterstützt. Würden Sie helfen?

Vielleicht fangen Sie jetzt an, das Für und Wider abzuwägen. Vielleicht entscheiden Sie sich aber auch einfach frei aus dem Bauch heraus für eine der beiden Möglichkeiten. Wann und warum helfen wir?

In der Sozialpsychologie wurde schon vielerlei Forschung betrieben, um die Gründe für menschliche Hilfeleistungen oder eben deren Unterlassen zu untersuchen. So konnten mehrere Faktoren identifiziert werden, die Helfen begünstigen. Zu nennen sind hier zum Beispiel Empathie, also das mitfühlende Hineinversetzen in andere, der Wunsch nach sozialer Anerkennung oder kulturelle Vorgaben wie die Moral.

Neben diesen fördernden Motiven gibt es allerdings auch solche, die dem Helfen entgegenstehen. Es sind Tendenzen, sich selbst zu schützen. Zeit, Geld und Mühen, welche die Unterstützung anderer kostet, könnten ja auch für das eigene Leben und Überleben genutzt werden.

Befinden wir uns in einer Situation, in der unsere Hilfe erforderlich wäre, unterliegen wir also einem inneren Konflikt. Um den Spannungen zwischen natürlichen Impulsen und kulturellen Forderungen gerecht zu werden, haben sich beim Menschen Mechanismen der Selbstregulation durchgesetzt. Selbstregulation stellt die Fähigkeit dar, sich entgegen den Trieben gemäß geforderter Normen zu verhalten. Die Unterdrückung der Triebe, also auch des Selbstschutzes zu Gunsten der Hilfeleistung, kostet allerdings Energie. Bedeutet dies nun aber, dass wir nur dann helfen, wenn wir über genügend Energie zur Selbstregulation verfügen?

Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, führte ein Forschungs­team um Nathan DeWall verschiedene Studien durch. Hierbei erhielt ein Teil der Probanden  zunächst eine Aufgabe, die Energie kostete. Sie mussten sich einer zuvor erlernten Gewohnheit in einer anschließenden Situation widersetzen. Die Kontroll­gruppe erhielt eine Aufgabe, die keine Kraft kostete. Anschließend wurde von einigen Teilnehmenden die Hilfsbereitschaft anhand verschiedener Szenarien wie dem Beispiel zu Beginn gemessen. Die übrigen Probanden erhielten entweder einen zuckerhaltigen oder zuckerfreien Drink. Erst dann wurde die Messung durchgeführt. 

Die Ergebnisse sind erstaunlich. Die Hilfsbereitschaft der Personen, deren Energie zunächst beansprucht worden war, war deutlich geringer als die derjenigen aus der neutralen Bedingung. Dieser Effekt konnte jedoch durch die Beigabe von Limonade beseitigt werden. Die Probanden, welche den Abfall der Energie durch die Einnahme von Zucker ausgleichen konnten, unterschieden sich nicht in ihrer Hilfsbereitschaft von der Kontroll­gruppe. Der Wille zu helfen scheint also tatsächlich auch von vorhandener Energie abhängig zu sein.

Falls Sie die Frage zu Beginn also mit ‚nein’ beantwortet haben, Ihnen aber gerade der Magen knurrt, sollten Sie vielleicht einfach eine Limonade trinken. So können Sie nicht nur sich, sondern auch anderen das Leben versüßen. 

DeWall, C. N., Baumeister, R.F., Gailliot, M.T., Maner, J.K. (2008): Depletion Makes the Heart Grow Less Helpful: Helping as a Function of Self-Regulatory Energy and Genetic Relatedness. Personality and Social Psychology Bulletin, 34(12), 1653-1662.

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