Wir verstehen uns auch ohne Worte!

- Dennis Uhrig –

Haben Gesprächs­partnerInnen ein sehr enges Verhältnis zueinander, können kurze Unterbrechungen während des Gesprächs das Gefühl verstärken, der gleichen Ansicht zu sein und in der eigenen Ansicht bestätigt zu werden.

Menschen haben das Bedürfnis, von anderen in ihren Ansichten bestätigt zu werden. Inwieweit man sich während eines Gesprächs in seinen Ansichten bestätigt fühlt, scheint aber nicht nur vom Inhalt der Äußerungen abzuhängen, sondern auch vom Redefluss. Bisherige Forschung hat gezeigt, dass schon kurze Unterbrechungen im Redefluss bei den Gesprächs­partnerInnen Zweifel aufkommen lassen können, ob man auf der gleichen Wellenlänge ist. Dieser Befund basiert jedoch nur auf Gesprächen zwischen Personen, die sich kaum kannten. Welche Aus­wirkungen haben kurze Unterbrechungen im Redefluss aber auf Gesprächs­partnerInnen, die sich gut kennen? Das Forschungs­team um Namkje Koudenburg vermutete, dass Gesprächs­partnerInnen, die sich gut kennen, oftmals die gleichen Ansichten zu teilen glauben und daher bei Unterbrechungen im Redefluss die fehlenden Informationen konform zur wahrgenommenen geteilten Ansicht selbst ergänzen. Dadurch könnten sie sich schließlich sogar stärker in ihren Ansichten bestätigt fühlen als während störungs­freier Gespräche. 

Um diese Annahme zu untersuchen, wurden in einem Kaufhaus Personen, die zu zweit unterwegs waren, angesprochen und um eine Studien­teilnahme gebeten. Die 130 Personen, die sich zur Teilnahme bereit erklärten, standen mit ihrer Begleitung in einem romantischen, freundschaft­lichen oder familiären Verhältnis. Nachdem die Teilnehmenden angegeben hatten, wie eng das Verhältnis zu ihrer Begleitung war, sollten sie sich mit ihr für fünf Minuten über Urlaube unterhalten – ein Thema, über das man problemlos ein Gespräch ohne Unterbrechungen führen kann. Dabei konnten sich die Gesprächs­partnerInnen aber nur über ein Headset und einen Bildschirm hören und sehen. Eine Hälfte der Paare konnte sich ohne Unterbrechungen unterhalten. Bei der anderen Hälfte wurden Ton und Bild verzögert übertragen, sodass Unterbrechungen im Gespräch entstanden. Im Anschluss an das Gespräch gaben die Teilnehmenden an, inwieweit sie das Gefühl hatten, während des Gesprächs in ihren Ansichten bestätigt worden sowie mit ihrem/r Gesprächs­partnerIn der gleichen Ansicht gewesen zu sein. 

Wie erwartet fühlten sich Personen, die ein sehr enges Verhältnis zueinander hatten, stärker in ihren Ansichten bestätigt, wenn es während ihres Gesprächs kurze Unterbrechungen gab. Dieser Unterschied ließ sich damit erklären, dass Personen in sehr engen Beziehungen bei Unterbrechungen des Gesprächs in höherem Maße glaubten, der gleichen Ansicht zu sein, als bei störungs­freien Gesprächen. Bei Personen in weniger engen Beziehungen hatten die Unterbrechungen des Gesprächs hingegen keinen Einfluss auf die wahrgenommene Übereinstimmung und empfundene Bestätigung der ausgetauschten Ansichten. 

Unterbrechungen in einem Gespräch werden demnach also nicht immer als „unangenehme Stille“ empfunden. Ganz im Gegenteil: In sehr engen Beziehungen können sie bei den Gesprächs­partnerInnen sogar das Gefühl verstärken, der gleichen Ansicht zu sein und in der eigenen Ansicht bestätigt zu werden.  Die Ergebnisse der Studie beziehen sich allerdings nur auf kurze Gespräche. So könnten Störungen in der Kommunikation auch bei Gesprächs­partnerInnen in sehr engen Beziehungen ihren positiven Einfluss verlieren oder gar Kommunikations­schwierigkeiten verursachen, wenn die Störungen langfristig vorhanden sind. 

Koudenburg, N., Gordijn, E. H., & Postmes, T. (2014). „More than words“: Social validation in close relations­hips. Personality and Social Psychology Bulletin, 40, 1517-1528.

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Jennifer Eck*, Anna Bruk

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