Helfen – Mit großem Beispiel voran

-Lea Kahlert-

Wenn eine Person dabei beobachtet wird, wie sie anderen hilft und dafür hohe persönliche Kosten auf sich nimmt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Beobachter*innen trotz der hohen Kosten auch helfen.

Stellen Sie sich bitte einmal vor, Sie gehen morgens in den Super­markt, um Ihre Wocheneinkäufe zu erledigen. An der Kasse, an der außer Ihnen niemand ansteht, werden Sie folgendes gefragt. Würden Sie an einem Benefiz-Lauf teilnehmen, bei dem Geld für schwer erkrankte Kinder gespendet wird? Damit 10 Euro gespendet werden, müssten Sie im Laufe des Tages 10 km laufen. Würden Sie an der Aktion teilnehmen? Nun stellen Sie sich die gleiche Situation bitte erneut vor, nur dass Sie dieses Mal an der Kasse anstehen müssen. Die Kundin vor Ihnen stimmt der Teilnahme an der Aktion sofort begeistert zu. Würden Sie sich jetzt anders entscheiden?

Aktuelle Forschungs­ergebnisse legen nahe, dass Menschen sogar bei hohen Kosten (wie etwa einem 10 km-Lauf) helfen, wenn sie beobachten, wie eine andere Person trotz hoher Kosten hilft. Forschende aus China und den USA haben dazu folgende Überlegung aufgestellt: Wenn eine Person dabei beobachtet wird, wie sie freiwillig große Opfer bringt, um anderen zu helfen, wird sie von den Beobachter*innen eher als selbstlos und aufrichtig motiviert erlebt, als wenn sie für die Hilfeleistung nur kleine Opfer bringt. Große Opfer rücken die Hilfeleistung in ein positives Licht. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass andere dem Beispiel folgen und ebenfalls hohe Kosten auf sich nehmen, um zu helfen. In fünf Untersuchungen mit insgesamt mehr als 1000 Versuchspersonen wurde diese Überlegung überprüft. In einer der Studien wurden die Teilnehmenden beispielsweise gefragt, ob sie eines ihrer Bücher für einen guten Zweck spenden würden. Dabei wurden die Kosten der Buchspende variiert. Eine Hälfte der Versuchspersonen wurde gefragt, ob sie ein verzichtbares altes Buch spenden würden (geringe Kosten), die andere Hälfte wurde gebeten ein Lieblingsbuch abzugeben (hohe Kosten). Den Teilnehmenden wurde gleichzeitig noch ein positives Vorbild gegeben, indem kommuniziert wurde, dass die vorherige Versuchsperson ein Buch gespendet hatte. Versuchspersonen, die gebeten wurden, eines ihrer Lieblingsbücher zu spenden, stimmten in 46% der Fälle zu, während nur 30% der Versuchspersonen bereit waren, eines ihrer alten Bücher abzugeben. Dieses Ergebnis interpretierten die Forschenden als ersten Hinweis für die Gültigkeit ihrer Überlegung. In weiteren Studien beleuchteten sie die Frage, wie dieser Unterschied konkret zustande kommen könnte. Die Forschenden fanden Hinweise dafür, dass kostspieliges Helfen als aufrichtig motiviert wahrgenommen wurde, was das Helfen für Beobachter*innen attraktiver machte.

In der Arbeit lassen die Forschenden jedoch die Frage offen, ob sich die generelle Bereitschaft zu helfen auch auf Hilfe­verhalten im echten Leben übertragen lässt. In Zukunft wäre es außerdem interessant zu untersuchen, ob es unterschiedliche Konsequenzen hat, wenn man das Vorbild persönlich kennt. Wären Sie eher dazu geneigt, die 10 km für 10 Euro zu laufen, wenn eine gute Freundin Ihnen mit gutem Beispiel voran ginge, als wenn eine fremde Person das täte? Abschließend lassen die dargestellten Ergebnisse annehmen, dass man andere für eine gute und gleichzeitig aufwändige Tat begeistern kann, wenn man selbst mit gutem Beispiel voran geht.

 

Wu, X., Wang, X., Xu, Q., & Jin, L. (2021). How the perceived cost of prosocial action inspires observers to contribute. European Journal of Social Psychology, 52(1), 191–203. doi.org/10.1002/ejsp.2824

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Michael Barthelmäs¹, Mona Salwender

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