Zu viel des Guten?

- Nora Frey –

Zu viel Talent bei Mitgliedern einer Gruppe kann zu einer Minderung der Gruppen­leistung führen, wenn die zu erledigende Aufgabe viel Kooperation erfordert.

Das Jahr 2014 war für alle Fußballbegeisterten in Deutschland ein sehr glückliches Jahr. Die deutsche Nationalelf errang bei der Weltmeisterschaft in Brasilien den Titel. Für alle spanischen Fußballfans war das sportliche Großereignis allerdings eher eine traurige Angelegenheit: Für die Titelverteidiger war das Spektakel schon in der Vorrunde vorbei. Wie kann es sein, dass ein Team, bestehend aus einigen der besten Fußballspieler der Welt, das zuvor den ersten Platz der Weltrangliste besetzte, plötzlich so eine schlechte Leistung erzielte? War es einfach nur Pech oder steckt doch mehr hinter der Niederlage des Topteams?

Möglicherweise spielte hier der sogenannte Too-Much-Talent-Effekt eine Rolle. Dieser beschreibt das Phänomen, dass Gruppen, die aus besonders vielen sehr talentierten Mitgliedern bestehen, manchmal schlechtere Leistungen zeigen als Gruppen mit weniger „Stars“. Zwar führt mehr Talent der Einzelpersonen zunächst auch zu besserer Leistung, wird jedoch ein gewisses Maß an Talent überschritten, leidet aber die Gruppen­leistung dar­unter. Ein möglicher Grund für den Effekt ist, dass die talentierten Gruppen­mitglieder ihren Status als „Stars“ der Gruppe gerne beibehalten würden. Bei vielen talentierten Personen führt dies zu einem gesteigerten Konkurrenzgefühl innerhalb der Gruppe. Dieses lenkt von den eigentlichen Gruppen­zielen ab und führt somit zu einer schlechteren Gesamtleistung.

Um diese Annahme zu überprüfen, führte ein Forschungs­team um Roderick I. Swaab eine Untersuchung anhand von Archivdaten der FIFA durch. Das Talent eines WM-Teams wurde anhand des Prozentsatzes an Spielern erfasst, welche neben der Nationalmannschaft ihres Herkunftslandes in einem der Topteams der Ligen spielen. Die Teamleistung wurde durch FIFA-Rankings der Mannschaften für die Qualifikations­runden der Weltmeisterschaften 2010 und 2014 erfasst. Anhand dieser Daten  wurde untersucht, wie das Talent einer Gruppe und die Teamleistung zusammenhängen.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung sprechen für einen Too-Much-Talent-Effekt. Zunächst steigt die Teamleistung mit dem Ausmaß an Talent der Spieler an. Ist ein gewisses Maß an Talent aber überschritten, sinkt die Teamleistung wieder ab. Das heißt Teams mit zu vielen Top-Spielern spielten im Durchschnitt schlechter als Teams mit weniger vielen „Stars“. Weitere Untersuchungen zeigten, dass der Effekt davon abhängt, wie stark die Aufgaben der einzelnen Team­mitglieder auf Zusammenarbeit und Koordination basieren. Kommt es bei der Erreichung des Gruppen­ziels darauf an, dass die einzelnen Mitglieder kooperieren und gut zusammenarbeiten, tritt ein Too-Much-Talent-Effekt auf. Ist Kooperation und Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe nicht von Bedeutung, zeigt sich das Phänomen nicht, da das Konkurrenzdenken der einzelnen Mitglieder die Leistung der anderen nicht beeinflussen kann.

Diese Untersuchung zeigt also: Es kann auch zu viel des Guten, in unserem Fall Talent, geben. Den FußballmanagerInnen dieser Welt sei also geraten bei der Auswahl ihres Nationalteamkaders nicht nur auf TopspielerInnen zu setzen, sondern ruhig auch Underdogs eine Chance zu geben.

Swaab, R. I., Schaerer, M., Anicich, E. M., Ronay, R., & Galinsky, A. D. (2014). The too-much-talent effect: Team interdependence determines when more talent is too much or not enough. Psychological Science, 25(8), 1581-1591.

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Selma Rudert*, Mariela Jaffé

© Forschung erleben 2015, alle Rechte vorbehalten

Zurück