Zynisch und genial?

- Verena Hofmann –

Zynismus und Kompetenz hängen nicht unbedingt zusammen.

Wodurch können wir bei unseren Mitmenschen einen schlauen und kompetenten Eindruck machen? Sind es eine positive Einstellung, Optimismus und immer das Gute im Menschen zu sehen oder doch eher zynische Kommentare und Aussagen?

Es scheint, als würden uns Unterhaltungs­medien nahelegen, dass Zynismus und eine gesunde Portion Pessimismus Personen zu machtvollen Positionen verhelfen können, wie beispielsweise bei Frank Underwood in House of Cards, oder dass schwarzmalerisches Hinterfragen menschlicher Motive am Ende jeden Fall löst, wie bei Sherlock Holmes. Eine naheliegende Schlussfolgerung ist daher, dass dieses Bild auf den Alltag übertragen wird und Personen, die zynische Bemerkungen machen, als intelligenter wahrgenommen werden. Dass diese Annahmen tatsächlich existieren, konnten Stavrova und Ehlebracht (2019) zeigen, indem sie mehrere tausend Menschen aus verschiedenen Ländern zu ihren Annahmen bezüglich des Zusammenhangs von Zynismus und Kompetenz befragten. Die Ergebnisse zeigten, dass zynische Menschen für kompetenter im Umgang mit Zahlen, Computern und auch Worten gehalten wurden, während sie gleichzeitig als weniger kompetent im Umgang mit Menschen eingeschätzt wurden. In einer weiterführenden Studie konnten die Forschenden zeigen, dass es allerdings auch ein „Zuviel“ an Zynismus geben kann. Am förderlichsten für eine gute Leistung in Intelligenz-Aufgaben erachteten die Versuchspersonen eine leicht über­durchschnittliche Ausprägung von Zynismus.

Sind zynische Menschen aber tatsächlich intelligenter oder werden sie nur so eingeschätzt? Auch dieser Frage gingen die Forschenden nach. Entgegen der allgemeinen Annahme, dass Zynismus mit mehr Intelligenz einhergeht, ergeben die Daten ein anderes Bild: Zumindest in westlichen Kulturen zeigt sich, dass mehr Zynismus mit einem geringeren Bildungs­niveau und geringeren Intelligenzwerten einhergeht. Allerdings zeigt sich für Länder mit harschem sozialpolitischem Klima, beispielsweise gekennzeichnet durch Korruption, ein anderes Bild: Dort legten auch über­durchschnittlich intelligente Menschen eine zynische Weltsicht an den Tag. Das verinnerlichte zynische Weltbild unterscheidet sich allerdings nur bei über­durchschnittlich intelligenten Personen je nach sozialpolitischem Klima. Unter­durchschnittliche Personen legen unabhängig vom sozialpolitischen Klima ähnliche Ausprägungen in Zynismus an den Tag.

Stavrova und Ehlebracht schlossen aus ihren Ergebnissen, dass die Wahrnehmung des „zynischen Genies“ eine Illusion darstellt. Was wir in den Unterhaltungs­medien sehen, ist meist viel dramatischer und überspitzter dargestellt als unser Alltag ist. Deshalb können die in Serien dargestellten Zusammenhänge nicht allgemein übertragen werden, im Gegenteil legen die Befunde nahe, dass Zynismus nicht immer mit höherer Kompetenz einhergehen muss.

Offensichtlich überschätzen dennoch viele Personen in unserem Umfeld die Kompetenz zynisch eingestellter Menschen. Das kann auch unseren Alltag beeinflussen: Schätzt unser Chef seine Mitarbeitenden als kompetenter ein, wenn sie sich zynisch ausdrücken, und teilt ihnen anspruchsvollere Aufgaben zu? Solang die Mehrheit der Menschen diesen Zusammenhang annimmt, können wir uns überlegen, wie wir damit umgehen wollen. Für die Entwicklung gezielter Maßnahmen wäre es allerdings auch interessant, genauer zu verstehen, worauf der wahrgenommene Zusammenhang zwischen Zynismus und Intelligenz zurückgeführt wird.

 

Stavrova, O., & Ehlebracht, D. (2019). The cynical genius illusion: Exploring and debunking lay beliefs about cynicism and competence. Personality and Social Psychology Bulletin, 45, 254–269. doi: 10.1177/0146167218783195

Redaktion und Ansprech­partner*in¹: Mariela Jaffé¹, Matthias Keller

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