„Bist du nicht auf meiner Seite, dann bist du gegen mich!“

- Mathias Twardawski –

Bleibt eine befreundete Person bei einem Konflikt mit Dritten unparteiisch, kann dies der Freundschaft genauso schaden, als hätte sie Stellung für die Gegenseite bezogen.

Schon in der Bibel steht geschrieben: „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich“ (Evangelium nach Matthäus, 12:30). Dieser Leitsatz beruht auf der Annahme, dass nur diejenigen, die sich auf unsere Seite stellen, uns gegenüber loyal sind. Demnach werden Personen, die sich weder auf unsere Seite noch auf die Gegenseite stellen, als illoyal wahrgenommen. Unparteilichkeit kann allerdings auch ein Versuch sein, eine positive Beziehung zu beiden Seiten aufrechtzuerhalten. Welche Aus­wirkungen hat es also, wenn eine befreundete Person bei einem Konflikt mit Dritten unparteiisch bleibt? Eine amerikanische Forschungs­gruppe um Alex Shaw nahm an, dass Unparteilichkeit von befreundeten Personen als negativ wahrgenommen werden und somit einen negativen Einfluss auf die Freundschaft haben kann. Dies erklären die Forschenden damit, dass Freundschaften wie Bündnisse fungieren, in denen Loyalität und Unterstützung erwartet werden. Bleibt eine befreundete Person bei einem Konflikt mit Dritten unparteiisch, sollte man sich daher von ihr im Stich gelassen fühlen und die Freundschaft dar­unter leiden.

Ihre Annahme testete die Forschungs­gruppe in mehreren Experimenten. Dazu sollten sich die Teilnehmenden einen verbalen Konflikt mit einer Person vorstellen, die sie erst seit Kurzem kannten. Des Weiteren sollten sie sich vorstellen, dass eine befreundete Person anwesend war. Wie sich diese befreundete Person während des Konflikts verhielt, wurde zwischen den Teilnehmenden variiert: Sie stellte sich entweder auf die Seite der Teilnehmenden, blieb unparteiisch oder bezog Stellung für die Gegenseite. Anschließend sollten die Teilnehmenden einschätzen, inwiefern sich das Verhalten der befreundeten Person während des Konflikts auf die empfundene Nähe zu ihr und auf ihre Freundschaft auswirken würde. Wie erwartet zeigte sich, dass sich das Verhalten der befreundeten Person deutlich positiver auf die empfundene Nähe und die Freundschaft ausgewirkt hat, wenn sie sich auf die Seite der Teilnehmenden anstatt auf die gegnerische Seite gestellt hatte. Höchst interessant war allerdings die Einschätzung der Teilnehmenden, die sich das unparteiische Verhalten der befreundeten Person vorstellen sollten: Das unparteiische Verhalten wirkte sich in etwa genauso negativ auf die empfundene Nähe und die Freundschaft aus wie die Unterstützung der Gegenseite. In weiteren Studien wurde zudem gezeigt, dass unparteiisches Verhalten in der beschriebenen Konfliktsituation nur dann negative Aus­wirkungen auf die Beziehung hatte, wenn es von einer Person aus dem Freundeskreis und nicht bloß von einer Person aus dem Bekanntenkreis gezeigt wurde.

Eine befreundete Person, die sich bei Auseinandersetzungen mit Dritten unparteiisch verhält, kann somit der Freundschaft schaden. Gleichzeitig sollte jedoch betont werden, dass in den Experimenten ausschließlich Konfliktsituationen untersucht wurden, in denen die Richtigkeit der einzelnen Positionen unklar geblieben ist. Vor allem in solchen Situationen scheint also unsere Wahrnehmung im Einklang mit dem Leitsatz aus dem Matthäus-Evangelium zu sein: „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich.“

Shaw, A., DeScioli, P., Barakzai, A., & Kurzban, R. (2017). Whoever is not with me is against me: The costs of neutrality among friends. Journal of Experimental Social Psychology, 71, 96–104. doi:10.1016/j.jesp.2017.03.002

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Jennifer Eck*, Matthias Keller

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