Das Beste kommt zum Schluss

- Kerstin Zimmermann –

Erfahrungen, die man zum letzten Mal macht, werden positiver beurteilt.

Stellen Sie sich vor, Ihr Lieblingsrestaurant schließt in Kürze und Sie essen Ihr allerletztes Abendessen dort. Wenn es Ihnen dieses letzte Mal noch ein wenig besser schmeckt als sonst – liegt das dann am Essen selbst oder daran, dass Sie wissen, dass es Ihre letzte Mahlzeit dort sein wird?

Aus früheren Studien ist bekannt, dass wir bedeutsame Lebens­erfahrungen manchmal positiver bewerten, wenn uns bewusst wird, dass sie bald zu Ende gehen. So bringen SchülerInnen, die daran erinnert werden, dass sie bald ihren Schul­abschluss machen, ihrer Schule positivere Gefühle entgegen als SchülerInnen, die nicht an das baldige Ende ihrer Schulzeit erinnert werden.  In einer aktuellen Studie haben die ForscherInnen Ed O''Brien und Phoebe Ellsworth nun untersucht, ob wir auch ganz alltägliche Erfahrungen positiver bewerten, wenn uns bewusst gemacht wird, dass wir sie zum letzten Mal machen, und ob sich diese positive Wahrnehmung der letzten Erfahrung auch auf die Gesamt­bewertung des Erlebnisses auswirkt.

Um dies zu testen, baten die beiden ForscherInnen Studierende an einer angeblichen Testverkostung neuer Pralinensorten teilzunehmen. Dazu zog die Versuchsleitung nacheinander verdeckt die zu probierenden Pralinen, und zwar so, dass die Versuchspersonen nicht sehen konnten, wie viele Pralinen noch folgen würden. Nach jeder Praline gaben die ProbandInnen an, wie sehr ihnen die Praline geschmeckt hatte. Eine Gruppe von Teilnehmenden erhielt dabei jede der insgesamt fünf Pralinen mit den Worten “Hier ist Ihre nächste Praline”. Einer anderen Teilnehmer­gruppe wurden die ersten vier Pralinen auf dieselbe Weise angekündigt, die letzte jedoch mit dem Satz “Hier ist Ihre letzte Praline“. Tatsächlich schätzten Teilnehmende, denen bewusst war, dass sie gerade die letzte Praline aßen,  diese als deutlich leckerer ein als Teilnehmende, denen dies nicht bewusst war. Und nicht nur das: Auch das gesamte Experiment hatte jenen, die über das baldige Ende des Erlebnisses Bescheid wussten, mehr Spaß gemacht.

Was lässt sich daraus schließen? Letzte Erfahrungen haben einen starken Einfluss auf unsere Bewertung eines Erlebnisses: Allein das Bewusstsein, dass etwas zu Ende geht, kann dazu führen, dass wir gemachte Erfahrungen positiver erleben. O''Brien und Ellsworth nehmen an, dass dieser Effekt in vielen Lebens­bereichen zum Tragen kommen könnte – so könnte das letzte Buch oder der letzte Film einer Serie, das letzte Abendessen in einem Restaurant oder der letzte Vortragende bei einem Symposium in einem positiveren Licht erscheinen als eigentlich gerechtfertigt. Wenn Sie selbst also die Möglichkeit haben, als letzte Kandidatin oder letzter Kandidat bei einem Vorstellungs­gespräch aufzutreten, sollten Sie diese Gelegenheit nutzen und zeigen, dass das Beste zum Schluss kommt.

O’Brien, E. & Ellsworth, P. C. (2012). Saving the last for best: A positivity bias for end experiences. Psychological Science, 23(2), 163–165.

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