Das Gewicht der Schuld

- Dennis Uhrig –

Das Tragen eines schweren versus leichten Rucksacks kann zu einem erhöhten Empfinden von Schuldgefühlen führen, was moralischeres Handeln nach sich ziehen kann.

Schuld wird sinnbildlich als schwere Last gesehen. Die meisten von uns kennen die sprichwörtliche Symbolik, „schwer an einer Schuld tragen“. So weist bisherige Forschung auch darauf hin, dass bereits das Denken an Schuld das Sinnbild 'Schwere' auslösen kann. Weiter vermag das Erleben von Schuld zu einem körperlichen Gefühl von Schwere zu führen. Schuld scheint also sinnbildlich wie auch körperlich mit Schwere verbunden zu sein. Doch bedeutet dies im Umkehrschluss auch, dass sich Personen schuldiger fühlen, wenn sie am Körper etwas Schweres tragen? 

Diese Frage überprüften Maryam Kouchaki und KollegInnen in einer Reihe von Experimenten. Sie stützten sich hierbei auf Studien, die nahelegen, dass nicht nur Emotionen körperliche Reaktionen hervorrufen können (z.B. Freude führt zu Lächeln), sondern dass auch umgekehrt körperliche Zustände und Vorgänge Emotionen hervorzurufen oder zu verstärken vermögen (z.B. Lächeln verstärkt Freude). So bewerteten ProbandInnen, die ein Lächeln imitierten, ein Comic als witziger verglichen mit ProbandInnen, die ihre Stirn runzelten. Die Übereinstimmung zwischen körperlichem Ausdruck (Lächeln) und Emotion (Freude) verstärkte also die Emotion. Die Befunde weisen darauf hin, dass das Konzept einer Emotion, also deren abstrakte Idee, körperlich verankert ist (z.B. ist das Konzept der Freude im Lächeln verankert) und dass durch entsprechendes, sinnbildliches Verhalten (z.B. Lächeln) die entsprechende Emotion (z.B. Freude) ausgelöst oder verstärkt werden kann. 

Das Forschungs­team nahm deshalb an, dass Schuldgefühle bei Personen verstärkt werden können, wenn diese ein schweres im Vergleich zu einem leichten Gewicht auf dem Rücken tragen, da sich Schuld auf diese Weise sinnbildlich in dem körperlichen Zustand wiederfindet. Ein erhöhtes Schuldgefühl sollte wiederum zu moralischerem Handeln führen, da Personen weniger gewillt sein sollten, noch mehr „Schuld tragen zu müssen“. 

Um ihre Annahmen zu überprüfen, wurden die Teilnehmenden der Studien aufgefordert, einen Text über eine Situation zu schreiben, in der sie Schuldgefühle gehabt hatten. So sollten bei allen entsprechende Gefühle ausgelöst werden. Die eine Hälfte der ProbandInnen trug während der Bearbeitung der Aufgaben jedoch einen schweren Rucksack, während die andere Hälfte einen leichten Rucksack trug. Im Anschluss füllten die Teilnehmenden Fragebögen zur Stärke ihrer aktuellen Schuldgefühle und Stimmung sowie der erlebten Wichtigkeit der Aufgaben aus. 

Die Vermutungen der Forschenden konnten bestätigt werden. Personen, die während der Untersuchung einen schweren Rucksack trugen, empfanden im Vergleich zu den Teilnehmenden mit leichtem Rucksack stärkere Schuldgefühle. In weiteren Studien konnte gezeigt werden, dass das physische Gewicht nicht nur die wahrgenommenen Schuldgefühle beeinflusste, sondern Personen dadurch auch eher zu ehrlichem Verhalten und gewissenhaften Entscheidungen neigten, also moralischer handelten. Alternativ­erklärungen wie eine größere erlebte Bedeutsamkeit durch schweres Gewicht konnten anhand der Daten ausgeschlossen werden. 

Die Studien geben uns somit mehr Einsicht in die Funktions­weisen von Emotionen und die Verbindung zwischen Emotionen und Körperempfindungen. Metaphern wie „eine schwere Schuld tragen“ sind den Ergebnissen zufolge also keine leeren Floskeln, sondern spiegeln sehr gut die Verbindung zwischen Emotion und Körperlichkeit wider.

Kouchaki, M., Gino, F., & Jami, A. (2014). The burden of guilt: Heavy backpacks, light snacks, and enhanced morality. Journal of Experimental Psychology: General, 143, 414–424. DOI: 10.1037/a0031769

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