Der Wert des Lebens

- Stephan Bedenk –

Gedanken an den eigenen Tod können zu einer höheren Wertschätzung unseres Lebens führen.

Was passiert, wenn wir sterben? Was bedeutet der Tod für unser eigenes Leben? Der Gedanke an die eigene Sterblichkeit beschäftigt viele Menschen. Manche sind fasziniert von Personen mit Nah-Todeserfahrungen, die über Gefühle und Bilder zum Zeitpunkt ihres klinischen Todes berichten. Für die Betroffenen selbst hat die kurze Begegnung mit dem Tod oft Konsequenzen für ihr neues, „zweites“ Leben: Nicht selten bringen sie diesem eine neue Wertschätzung entgegen. Die ForscherInnen Laura King, Joshua Hicks und Justin Abdelkhalik zeigen in einer aktuellen Arbeit jedoch, dass auch bei Menschen ohne eine solche Erfahrung die bloße Erinnerung an den eigenen Tod die Einstellung zum Leben bedeutsam verändern kann.

Die Hypothese für ihre Studie leiteten die ForscherInnen dabei aus einem ganz anderen Bereich der Psychologie ab. So weiß man aus der Werbepsychologie, dass Menschen einem Gegenstand einen höheren Wert beimessen, wenn ihnen zuvor gesagt wurde, dass es sich um ein sehr seltenes Exemplar handelt und sie den Gegenstand vielleicht irgendwann wieder abgeben müssen. Übertragen auf die Wirkung von Gedanken an den eigenen Tod heißt dies: Werden wir mit solchen Überlegungen konfrontiert, sollte uns ganz besonders bewusst werden, dass wir unser Leben irgendwann verlieren. Das wiederum sollte den subjektiven Wert erhöhen, den wir unserem Leben zuschreiben.

Um diese Annahmen zu überprüfen, führten King und Kollegen eine Studie an der University of Missouri durch. Zunächst wurden Teilnehmende gebeten, ein Wortsuchspiel am Computer zu lösen. Bei einer Gruppe von Teilnehmenden waren die zu suchenden Wörter assoziiert mit schmerzhaften, allerdings nicht tödlichen Beeinträchtigungen wie etwa Kopfschmerzen. Bei einer anderen Gruppe bezogen sich dagegen alle Wörter direkt auf das Thema Tod. Beispielsweise sollten die Versuchspersonen die Wörter „Grabstein“ und „Sterben“ suchen. Nachdem sie die Aufgabe beendet hatten, füllten alle Teilnehmenden einen Fragebogen aus, der die Zufriedenheit mit ihrem eigenen Leben erfasste.

Die Ergebnisse bestätigten die Annahmen der AutorInnen. Die Gruppe, bei denen durch das Wortsuchspiel indirekt Gedanken an Tod und Sterben ausgelöst wurden, gab anschließend an, zufriedener zu sein und auch mehr Sinn im eigenen Leben zu sehen. Insgesamt liefert die Studie somit eine faszinierende und auf den ersten Blick überraschende Er­kenntnis: Wir müssen durch das Bewusstsein von Tod und Sterben nicht zwangs­läufig in eine Sinnkrise stürzen, sondern können daraus bisweilen sogar Kraft, Sinn und Lebens­freude schöpfen.

King, L. A., Hicks, J. A., & Abdelkhalik, J. (2009). Death, Life, Scarcity, and Value. An Alternative Perspective on the Meaning of Death. Psychological Science, 20(12), 1459-1462.

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