Die Last der Selbstkontrolle

- Dennis Uhrig –

Ein hohes im Vergleich zu einem niedrigen Ausmaß an Selbstkontrolle und die damit häufig einhergehende verstärkte Aufgaben­verantwortlichkeit können von den betroffenen Personen als Last wahrgenommen werden.

Daniel ist ein vorbildlicher Student. Schon zu Semesterbeginn arbeitet er Vorlesungen nach und greift anderen Studierenden unter die Arme. Viele Bekannte verlassen sich darauf, Unterstützung von ihm zu erfahren und vertrauen ihm wichtige Aufgaben an. Neben dem Studium ist es Daniel wichtig, fit zu bleiben, weswegen er täglich früh morgens für sein Sport­programm aufsteht. All dies gelingt Daniel, da er über ein hohes Ausmaß an Selbstkontrolle verfügt. Er kann sein Verhalten also erfolgreich steuern und seine gesetzten Ziele dadurch erfüllen.

Bisherige Forschung konnte zeigen, dass Personen mit viel im Gegensatz zu wenig Selbstkontrolle erfolgreicher, gesünder und auch mit ihren zwischenmenschlichen Beziehungen zufriedener sind. Zudem werden sie von ihren Bekannten meist als vertrauensvollere sowie liebenswürdigere Mitmenschen angesehen. Darüber hinaus wird von ihnen oftmals erwartet, dass sie leistungs­stärker sind und Aufgaben leichter bewältigen können, weswegen ihnen letztlich häufig mehr Aufgaben anvertraut werden. Doch verbirgt sich hinter diesem letzten Aspekt eventuell eine Kehrseite der Selbstkontrolle? Kann eine gesteigerte Erwartungs­haltung und Aufgabenzuweisung von den betroffenen Personen nicht auch als Last wahrgenommen werden?

Dieser Frage widmete sich ein Forschungs­team um Christy Zhou Koval. Es vermutete, dass Personen mit hoher im Vergleich zu niedriger Selbstkontrolle aufgrund der damit oftmals einhergehenden zusätzlichen Aufgaben­verantwortlichkeit weniger Zeit bleibt, eigenen Plänen nachzugehen. Dies sollte von selbigen verstärkt als Last wahrgenommen werden, was von außen jedoch nicht unbedingt sichtbar sein sollte. Letztlich könnte dieser Umstand bei den betroffenen Personen Unmut auslösen.

Zur Über­prüfung dieser Annahmen veranlassten die Forschenden in einem Experiment Angestellte verschiedener Firmen aus Bereichen wie Marketing, Management oder Vertrieb, online einen Fragebogen auszufüllen. In diesem wurden (1) deren Selbstkontrolle, (2) deren Bereitschaft, persönliche Opfer zu bringen, um damit ihr Team am Arbeits­platz zu unterstützen, sowie (3) deren Belastungs­empfinden bei solchen Tätigkeiten erfasst. Zudem befragten die Forschenden die Vorgesetzten und MitarbeiterInnen der Angestellten, wie sie die drei Aspekte bei den Zielpersonen von außen einschätzten.

Wie erwartet berichteten Personen mit hoher im Vergleich zu niedriger Selbstkontrolle von mehr Opferbereitschaft für ihre Arbeits­teams. Dies ging wiederum mit einem höheren Belastungs­empfinden einher. Von den Vorgesetzten und MitarbeiterInnen wurde die erhöhte Opferbereitschaft der Angestellten durchaus wahrgenommen. Dass diese aber auch eine stärkere Belastung für die Betroffenen darstellte, bemerkten sie demgegenüber nicht. Die Forschenden vermuteten, dass sich aus dieser Unstimmigkeit zum Beispiel Arbeits­un­zufriedenheit bei Personen mit hoher Selbstkontrolle entwickeln könne.

Welchen Rat kann man Daniel nach diesen Er­kenntnissen geben? Um zu vermeiden, dass er zu viele Aufgaben für andere übernimmt und dadurch überlastet wird, könnte er beispielsweise häufiger „Nein“ sagen, wenn er gebeten wird, eine Aufgabe zu übernehmen. Alternativ könnte er vor seinen Bekannten aber auch die bereits bestehende Belastung ansprechen, um so einer überfordernden Aufgabenzuweisung in Zukunft vorzubeugen.

Koval, C. Z., vanDellen, M. R., Fitzsimons, G. M., & Ranby, K. W. (2015). The burden of responsibility: interpersonal costs of high self-control. Journal of Personality and Social Psychology, 108 (5), 750–766. doi:  dx.doi.org/10.1037/pspi0000015

Redaktion und Ansprech­partnerIn*: Bianca von Wurzbach*, Judith Tonner

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