Die Weisheit der Jugend

- Karoline Mikus –

Paare, die bereits eine längere Zeit zusammen sind, können ihre gegenseitigen Vorlieben schlechter einschätzen als jüngere Paare.

„Ich kenne dich schon so lange, ich weiß, was dir gefällt.“ Wer würde so nicht in Bezug auf eine Person denken, mit der er oder sie schon seit Jahren Freude und Leid teilt? Intuitiv gehen wohl die meisten Menschen davon aus, dass die PartnerInnen in einer Beziehung ihre gegenseitigen Vorlieben umso besser kennen, je länger sie zusammen sind. Das Lieblingsessen oder der Einrichtungs­geschmack des oder der Geliebten sollte sich doch schließlich über die Zeit hinweg besser einschätzen lassen! Doch ist dies tatsächlich der Fall? Führt eine längere Beziehung wirklich zu einer besseren Kenntnis des Gegenübers?

Mit diesen Fragen beschäftigte sich auch ein Forschungs­team um Benjamin Scheibehenne. Dieses bat jüngere und ältere Paare, getrennt voneinander Aussagen über die Vorlieben ihres Partners bzw. ihrer Partnerin zu machen. Die Aussagen bezogen sich auf drei Themen (Essen, Filme, Küchendesigns), die sich in ihrer alltäglichen Wichtigkeit voneinander unterschieden. Die jüngeren Paare (19–23 Jahre alt), waren im Durchschnitt ca. 2 Jahre zusammen, die älteren (62–78 Jahre alt) ca. 40 Jahre. Die ersten Ergebnisse wiesen sowohl für jüngere als auch für ältere Paare auf, dass eine höhere Relevanz des Themas zu einer besseren Vorhersage der Befragten über ihr Gegenüber führte. Allerdings zeigte sich auch, dass die Einschätzungen von jüngeren Paaren zutreffender waren als die von älteren.

Eine mögliche Erklärung hierfür wäre, dass man sich in einer langjährigen Beziehung gegenseitig weniger Aufmerksamkeit schenkt als wenn man erst seit kurzer Zeit zusammen ist, da man eine dauerhafte Beziehung eher als gefestigt und sicher empfindet und leicht zu der Meinung gelangt, den Partner oder die Partnerin doch ohnehin schon gut zu kennen. Dies passt sehr gut zu dem Befund der Forscher, dass die älteren PartnerInnen ihre Einschätzungen mit größerer Selbstsicherheit trafen als die jüngeren TeilnehmerInnen. In der Studie zeigte sich zudem, dass ältere im Gegensatz zu jüngeren Paaren dazu tendieren, ihre eigenen Vorlieben auf ihren Partner bzw. ihre Partnerin zu übertragen. Ebenso neigen sie vermehrt dazu, auf bestimmte Stereotype zurückzugreifen. Besonders die Befragten im höheren Alter zogen also oftmals die Erwartung über das Verhalten oder die Eigenschaften von älteren Personen im Allgemeinen als Grundlage für die Bewertung des Gegenübers heran, nicht das spezielle Wissen aus der Beziehung.

Dass ältere PartnerInnen schlechtere Vorhersagen über ihre gegenseitigen Vorlieben treffen als jüngere, scheint also unter anderem daran zu liegen, dass sich selbige mit der Zeit nicht ähnlicher werden, dieses jedoch glauben. Folglich legen sie ihre eigenen Präferenzen den Einschätzungen über den Partner bzw. die Partnerin zu Grunde und setzen sich weniger intensiv mit den tatsächlichen Vorlieben des oder der Anderen auseinander. Womit sie folglich auch anfälliger für den Gebrauch von Stereotypen sind.

Was die Forscher jedoch nicht ausschließen können, ist, ob es andere Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Paaren gibt, die zu den Differenzen in der Genauigkeit ihrer Vorhersagen führen. Das schlechtere Abschneiden der älteren Paare könnte zum Beispiel auch durch die Abnahme kognitiver Fähigkeiten im fortgeschrittenen Alter erklärt werden.

Scheibehenne, B., Mata, J., Todd, P. M. (2010). Older but not wiser – Predicting a partner’s preferences gets worse with age. Journal of Consumer Psychology, doi:10,1016/j.jcps.2010.08.001.

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