Du machst mich heiß!

- Mareike Wickop –

Temperaturen beeinflussen soziale Beziehungen und zwischenmenschliche Kommunikation.

Redewendungen wie „jemandem die kalte Schulter zeigen“ oder „menschliche Wärme ausstrahlen“ sind uns allen geläufig und werden häufig und ohne langes Nachdenken verwendet. Tatsächlich jedoch sind solche Redewendungen gar nicht allzu weit hergeholt, sondern spiegeln die Tatsache wider, dass Temperaturen die empfundene Nähe zu anderen Personen beeinflussen können.

Stellen Sie sich vor, Sie lernen einen neuen Kollegen an einem kalten Wintertag kennen – sie frieren, die Heizung ist ausgefallen. Stellen Sie sich anschließend vor, Sie würden eben diesen Kollegen an einem schönen Sommertag im Büro antreffen. In welcher Situation würden Sie sich wohl intensiver und freundlicher um seine Einarbeitung bemühen? Die Studien von Hans Ijzerman und Gün Semin lassen vermuten, dass Ihr Kollege vermutlich mehr Glück hätte, wenn er im Sommer bei Ihnen anfinge.

Die beiden Forscher haben untersucht, welchen Einfluss Temperaturen auf soziale Beziehungen und unsere Kommunikation haben. Sie ließen Studierende unter einem Vorwand entweder ein kaltes oder ein warmes Getränk halten. Anschließend sollten die Studierenden die empfundene soziale Nähe zwischen ihnen selbst und einer frei wählbaren Person aus ihrem Bekanntenkreis beurteilen. Diejenigen, die ein warmes Getränk gehalten hatten, fühlten sich ihren Bekannten deutlich näher als die Teilnehmenden, die zuvor ein Kaltgetränk gehalten hatten. Obgleich in dieser Studie ungeklärt bleibt, ob sich die Teilnehmenden wegen des warmen Getränks anderen Personen generell näher fühlten, oder ob sie aufgrund der empfundenen Wärme von vorne herein Personen auswählten, denen sie sich besonders nahe fühlten, zeigen die Ergebnisse, dass wärmere Temperaturen mit der empfundenen Nähe zu anderen Personen assoziiert werden.

In einem weiteren Experiment untersuchten Ijzerman und Semin, wie sich Temperaturen auf die soziale Kommunikation auswirken. Vorhergehende Forschungs­arbeiten haben gezeigt, dass Ausdrucksweise und empfundene Nähe zu anderen Personen zusammenhängen: Bei großer empfundener sozialer Nähe bedienen wir uns eher einer konkreten, weniger abstrakten Sprache und verallgemeinern beispielsweise weniger stark. Ijzerman und Semin zeigten Studierenden Filmausschnitte, die soziale Situationen durch Schachfiguren nachstellten. Dabei befanden sich die Teilnehmenden entweder in einem sehr kalten Versuchslabor oder in einem angenehm temperierten Raum. Studierende, die sich den Ausschnitt in einem warmen Raum angesehen hatten, verwendeten zur Beschreibung der dargestellten sozialen Situation eine deutlich konkretere Sprache mit weniger Verallgemeinerungen und abstrakten Begriffen. Zudem berichteten diese Versuchspersonen eine stärker empfundene soziale Nähe zum Versuchsleiter, also einer vollkommen unbekannten Person.

Abstrakte Konzepte wie soziale Nähe und Kommunikation stehen demzufolge in direkter Beziehung zu konkreten (Sinnes-)Erfahrungen. Temperaturen beeinflussen unsere sozialen Beziehungen und haben zudem Einfluss auf unsere soziale Kommunikation und Ausdrucksweise. Den Befunden von Ijzerman und Semin zufolge sollten Sie also an jenem Wintertag mit Ihrem neuen Kollegen lieber einen warmen Tee als eine erfrischende Apfelschorle trinken!

Ijzerman, H, Semin, G. (2009). The Thermometer of Social Relations. Psychological Science, 20 (10), 1214-1220.

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