Entmutigt durch Lob?

- Ann-Katrin Rost –

Statt zu ermutigen, lässt überschwängliches Lob Kinder mit geringem Selbstwertgefühl eher vor Herausforderungen zurückschrecken.

„Kinder sollen regelmäßig und nicht zu sparsam gelobt werden!“ Erziehungs­ratgeber betonen immer wieder, wie wichtig es sei, Kindern Anerkennung für deren Leistungen zu schenken und fordern auf, den Nachwuchs mit Lob zu überhäufen. Auch Lehr­kräften wird empfohlen positive Beurteilungen beispielsweise mit „Perfekt!“ oder „Unglaublich toll!“ auszudrücken. Ziel ist, durch überschwängliches Lob das Selbstwertgefühl zu steigern, was zur Annahme von herausfordernden Aufgaben motivieren soll. Doch fühlen sich Kinder tatsächlich ermutigt und eher bereit Herausforderungen anzunehmen, wenn sie in den höchsten Tönen gelobt werden? 

 

Nach Meinung eines niederländischen Forschungs­teams um Eddie Brummelman ist hierbei die Persönlichkeit des zu lobenden Kindes entscheidend. Sie argumentieren, dass überschwängliches Lob die Botschaft vermitteln könne, dass auch zukünftig herausragende Ergebnisse erwartet würden. Bei Kindern mit geringem Selbstwertgefühl könne dies Angst auslösen, die hohen Anforderungen nicht zu erfüllen. Um sich vor einem möglichen Misserfolg zu schützen, vermieden diese Kinder Herausforderungen daher lieber. Ganz anders verhalte es sich jedoch bei jenen Kindern, die ein hohes Selbstwertgefühl besitzen: Auf sie wirke intensives Lob bestätigend, so dass sie vor allem im Falle von hohen Anforderungen ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen möchten.

Zur Über­prüfung dieser Hypothesen  legte das Forschungs­team 240 Kindern zwischen acht und zwölf Jahren Fragen vor, die Aufschluss über deren Selbstwertgefühl gaben. Danach wurden die Kinder gebeten ein Bild nachzumalen, wofür sie ein überschwängliches („Du hast ein unglaublich schönes Bild gemalt!“) oder ein einfaches („Du hast ein schönes Bild gemalt!“) Lob erhielten. Ihre Bereitschaft Herausforderungen anzunehmen wurde daran gemessen, ob sie anschließend weitere Bilder nach einer schwierigen oder aber einer einfachen Vorlage zeichneten.

Tatsächlich wählten Kinder mit geringem Selbstwertgefühl deutlich seltener die schwierigen Vorlagen, wenn sie zuvor überschwänglich und ihrer Meinung nach auch glaubwürdig gelobt worden waren. Im Gegensatz dazu tendierten sie bei einfachem Lob sogar häufiger zur Herausforderung. Vermutlich hatten die Kinder bei überschwänglichem Lob Bedenken an der Aufgabe zu scheitern, da dieses ihnen offenbar zu hohe Erwartungen signalisierte. Kinder mit hohem Selbstwertgefühl hingegen suchten nach überschwänglichem Lob wie erwartet häufiger die Herausforderung und wählten die schwierigen Vorlagen. 

Die Ergebnisse zeigen, dass überschwängliches Lob bei Kindern mit geringem Selbstwertgefühl kontraproduktiv wirken kann. Unglücklicherweise wird es besonders für diese Ziel­gruppe als Motivations­mittel eingesetzt, wie weitere Studien des Forschungs­teams feststellten. Basierend auf diesen Befunden erreichen wir wahrscheinlich mit einem einfachen Lob eher, dass sich ein Kind mit geringem Selbstwertgefühl an Neues heranwagt und somit wichtige Erfahrungen gewinnt, ohne dabei Erfolgsdruck zu erzeugen. Es ist daher ratsam, die Intensität unserer anerkennenden Worte in Abhängigkeit vom Selbstwertgefühl des zu lobenden Kindes bewusst abzuwägen.

Brummelman, E., Thomaes, S., de Castro, B., Overbeek, G., & Bushman, B. J. (2014). “That’s not just beautiful—that’s incredibly beautiful!”: The adverse impact of inflated praise on children with low self-esteem. Psychological Science, 25(3), 728–735. doi:10.1177/0956797613514251

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